Kaum ein Thema, wozu ihnen nichts einfällt. Nur mit rechtsdrehendem Mineralwasser tun Fettes Brot sich etwas schwer.
Wer ein gutes Image hat, ist fein raus. Vor allem dann, wenn er dafür nicht allzu hart ackern und rackern musste. Sondern sich einfach seit Jahren so gibt, wie man sowieso ist. Corpus delicti hier: Fettes Brot aus Hamburg. Nordisch by nature und von Natur aus nett: König Boris, Schiffmeister und Dr. Renz. Die Niedlichen. Die Knuffigen. Die Monchichis im Land der deutschen Reimer. Haben lässige Reimspiele auf Lager, verheiraten gekonnt Kalauer mit Kommerz und lassen auch noch grenzdebile Jungsspäße und erdig-echtes Szene-Geraune in einem Wasser schwimmen. Dergestalt, als wären Faxen machen und Authentizität verbreiten Enten vom selben Teich. Respekt. Zu Hause sind die Brote eindeutig im HipHop, unterwegs sind sie immer auch außerhalb von engen Genre-Grenzen. Und dabei immer freundlich, immer lustig. Zu viel des Klischeealarms? Eher nicht. Schiffmeister sitzt allein im ebenso großen wie geschmacklich bedenklichen Frühstücksraum eines Kölner Hotels, grinst so breit wie möglich und legt gleich los: „Ich hab die anderen beiden gerade rausgeschmissen. In Interviews verbreiten sie wilde Gerüchte über mich, und unser Sex wurde sowieso immer schlechter.“ Witzigkeit wie be- und vorgestellt also. Und die geht elegant in die nächste Runde, als König Boris und Dr. Renz – nach dem Toilettengang sichtlich entspannt – die Brote wieder zum Trio machen. Erstes Thema: die Single „Schwule Mädchen“. „Das Lied haben wir gemacht, damit ein Ruck durch die Gesellschaft geht“, erklärt König Boris. „Erst geht ein Ruck durchs Glied, dann durchs Lied“, behauptet Schiffmeister. Dr. Renz behauptet fürs Erste gar nichts, guckt dafür aber konzentriert aus dem Fenster. Auf dem Trottoir stakst eine Brünette vorbei, die absolut lahreszeit-adäqual gekleidet ist. Der Flochsommer gibt alles, und so sieht Dr. Renz wenig Hot Pants und noch weniger Top in Knatschrot. Binnen Sekunden hat auch der Brot-Rest Situation und Frau erfasst. Ein fixer Austausch von wissenden Blicken, und dann sagt Schiffmeister: „Aber jetzt mal ernsthaft…“
Auch das noch. Die Brote ernsthaft. Aber nun gut – und wie. „Bei Schwule Mädchen‘ geht es uns um den Umgang mit Andersartigkeit und Klischees. Wir spucken auf Klischees, und uns kann man auch gerne so nennen.“ Dr. Renz übernimmt: „Es geht natürlich auch um den ewigen Vorwurf, ob wir noch HipHop sind, und ich kann nur sagen: Klar sind wird das. Ohne HipHop wäre dieser Song nicht entstanden. Und wenn es öffentlich nicht als HipHop durchgeht, freue ich mich schon auf die Schublade, die dann aufgezogen wird. Nu-HipHop, oder so ähnlich.“ König Boris analysiert dagegen: „‚Schwule Mädchen‘ hat eine punkige Attitüde, 140 Beats per minute, ein Eighties-Keyboard – und rappen tun wir auch noch. Das soll aber auf keinen Fall ein Heulsusensong sein.
Wir fühlen uns nicht ungerecht behandelt, die meisten sind nett zu uns. Und wer uns scheiße findet, der soll uns jetzt ruhig noch scheißiger finden.“ Schiffmeister fügt hinzu: „Ich mag diese Betonkopfähnlichen Denkweisen von manchen HipHoppern nicht, die damit Geschrnacksgrenzen setzen. Wir halten es lieber mit der Maxime Verwirrung als Kalkül‘!“ Kein Zweifel: fettes Brot sind die am besten eingespielte Dreierkette im deutschen HipHop. Flotte Kombinationen, verbale Blutgrätschen, Steilvorlagen in die Tiefe des Raumes – alles vorrätig. Und wer weiter gewinnen will, muss schnell spielen. Weshalb die Brote schon wieder wie wild kombinieren. Gegen eingeschränkte Sichtweisen, wider die Starrheit. Und natürlich ohne Angst vor nicht unbedingt zwingend Originellem. Aus „The Joker“ von der Steve Miller Band, im Formatradio und anderswo längst zu Tode genudelt, wird bei Fettes Brot flugs „The Grosser“. „Da hab‘ ich mir nicht lange Gedanken drüber gemacht“, startet König Boris den nächsten Lauf, „eines relaxten Tages hab‘ ich das mal im Fernsehen gesehen, ich nippte an meinen Tee… nee, schreib lieber: nippte an meinem Martini… pulte mir eine Cocktailkirsche aus der Nase und dachte: ‚Cool, das musst du machen‘. Ich hab‘ das dann meinen Bandkollegen erzählt, und die sagten: ‚Okay, es war sowieso Zeit, dass du mal den Blues singst‘.“
Einfach so gemacht haben Fettes Brot Gott sei Dank auch „Oh La La“, einen entspannt vor sich hin schaukelnden Song, in dem Hein Strunk, einer der Mitbegründer der Telefonterroristen von Studio Braun, gekonnt den Reserve-Astor-Piazzolla gibt und sich mit einem schön gespielten Akkordeon in die Herzen tastet. „Es gibt wohl wenige Songs deutscher Zunge, in denen so stilvoll über Sex gesungen wird wie in diesem“, befindet König Boris. „Wenn man über Sex singen will, muss man mit sich selbst im Reinen sein. Und man darf keine Angst vor Frauen und vor seinem Pimmel haben – viele Rapper haben das aber.“ „Komm ma mit aufs Klo“, wirft Dr. Renz ein, „mein Arzt hat gesagt, ich soll nicht so schwer tragen – so lange man so was nicht wirklich verarbeitet hat, ist es natürlich problematisch, über Sex zu singen. Wir müssen den Song unbedingt noch Tocotronic vorspielen, weil die ja behauptet haben, dass man über Sex nur auf Englisch singen kann.“
Schiff meister für seinen Teil sagt, dass jetzt mal Schluss sein müsse mit der Selbstlobhudelei. König Boris widerspricht dahingehend, dass er gerade warm laufe. Und Doktor Renz fängt an, erst einmal andere Leute mit Lob zu bedenken. Funny van Dannen zum Beispiel. Weil der in „Posex & Posie“ garantiert unpeinlich auf Deutsch über Sex singt. Oder Gregor Gysi. Weil der MC-Qualitäten habe und deshalb im Grunde Popstar sei. Mit dem Einwurf, dass „James Last auch ein richtiger Popstar ist“, meldet sich König Boris zurück ins Spiel und ergänzt: „Jung bleibt, wer frische Styles kickt. James Last ist mit seinen über 70 einfach verdammt cool und sehr weise.“
Der Themen sind viele, und selbstverständlich fällt den Broten auch fast zu allem und jedem etwas ein. Bessere Fußball-Sendezeiten im Fernsehen: „Die erzwungene Verlegung von ‚ran‘ wegen schlechter Quoten ist so etwas wie die Friedensbewegung des neuen Jahrtausends – Ostermärsche mal anders“, sagt Schiffmeister. Und zu Angela Merkel: „Die muss aus Gründen der Image-Erweiterung einen Bioladen aufmachen“, sagt König Boris. Und rechtsdrehendes Mineralwasser? Schweigen. Erstmals. Bis König Boris doch noch der entscheidende Satz einfällt. Nicht zu rechtsdrehendem Mineralwasser, aber zu den Broten an und für sich: „Wir sind gerne nett zu Leuten, wir verstellen uns da nicht.“
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