When I Paint My Masterpiece: Zehn essentielle Bob-Alben. Part One
The Freewheelin‘ Bob Dylan, Columbia/Sony, 1963, 5 Sterne
Dylans Debüt war im Jahr zuvor nur in den Folkzlrkeln von Greenwich Village auf offene Ohren gestoßen. The Freewheelin‘ Bob Dylan konnte niemand mehr überhören: Mit „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“, „Masters Of War“ und „Blowin‘ In The Wind“ enthält die Platte die ultimativen Hymnen für die Protestbewegung der 60er, bittersüße Liebeslieder („Don’t Think Twice, It’s All Right“, „Girl FromThe North Country“),folkselige und countrybluesige Hobo-Romantizismen, spontane Spinnereien und alberne Anwandlungen. Ein früher Geniestreich.
Bringing It All Back Home, Columbia/Sony, 1965, 6 Sterne
Einen Paradigmenwechsel verhieß schon das Cover: eine rotgewandete Schöne, hingegossen auf eine Couch, der Meister in edlem Zwirn und einem Ambiente mit Katze, Magazinen, Platten, und viktorianischem Kamin – Pop-Boheme statt Folk-Diskurs. Wichtiger aber noch: Die Musik hielt dieses Versprechen: Die erste Seite der In Europa SUBTERRANEAN HOMESICK BLUES betitelten LP klingt, als sängen Chuck Berry und Woody Guthrie Texte, die Allen Ginsberg und James Joyce auf Acid hätten eingefallen sein können. Ein elektrischer Bildersturm, der auf Seite zwo zudem vier Folkmonumente von geradezu überirdischer Schönheit enthält (von „Mr. Tambourine Man“ bis hin zu „It’s All Over Now, Baby Blue“). Einmal in Fahrt, setzte Dylan mit…
Highway 61 Revisited, Columbia/Sony, 1965, 6 Sterne
…noch eins drauf: Teil zwei eines Triptychons, das in der Rock-Historie bis heute nicht seinesgleichen hat. Was mit „Like A Rolling Stone“ beginnt und mit „Desolation Row“ endet, jenem poetischen Parforceritt von geradezu Brechtscher Wortmächtigkeit, gilt vielen als jene Dylan-Platte, die sie mit auf die einsame Insel nehmen würden, und läutete ganz nebenbei die Geburtstunde eines neuen Genres ein: des Folk-Rock. Als Helfer fungierten u. a. Gitarren-Wunderkind Mike Bloomfield, Organist AI Kooper und Bassist Harvey Goldstein. Wer’s immer noch nicht begriffen hatte, durfte sich „Something is happening here / But you don’t know what it is / Do you, Mr. Jones?“ fragen lassen, derweil Bob…
Blonde On Blonde, Columbia/Sony, 1966, 6 Sterne
…in Angriff nahm, gemeinhin als sein „magnum opus“ betrachtet und als einziges Doppelalbum außer ELECTRIC LADYLAND von Jimi Hendrix gilt, das nicht als Einzel-LP besser gewesen wäre. Ob das bekifft torkelnde „Rainy Day Women #12&35“, das paranoide „Stuck Inside Of Mobile“ oder das sanft dahinströmende“Sad Eyed Lady Of The Lowlands“, ob „Pledging My Time“, „I Want You“ oder Just Like A Woman“: Jedes der 14 Stücke ist ein Juwel, nichts tönt marginal, alles majestätisch. Auch ein Verdienst von Dylans famosen Begleitern, darunter Robbie Robertson, die sich traumwandlerisch sicher von Folk zu R’n’B, von Rock’n’Roll zu Country und zurück bewegten.
Nashville Skyline, Columbia/Sony, 1969, 5 Sterne
Die Dylan-Gemeinde hatte ja nun schon einiges mitgemacht, aber das war zu viel. Ein Duett mit Johnny Cash, der dem netten Dylanologen von nebenan damals als ähnlich reaktionär galt wie John Wayne? Am liebsten hätten Bobs Jünger das Album in den Orkus gespült. Sie irrten: Die Neuauflage von „Girl From The North Country“ ist ein Traum, so wie „I Threw It All Away“ ein Albtraum ist oder „Lay Lady Lay“ ein hoffnungsloses Liebeslied. Existenzialismus mit Cowboyhut, Fiedel und Pedalsteel-Gitarre statt „sweetheart of the rodeo“.