Bon Jovi: Daddy Cool


Geld macht nicht glücklich? Blödsinn! JON BON JOVI genießt den Erfolg und die damit verbundene Kohle in vollen Zügen. Ruhm und Reichtum ermöglichen dem Gelegenheitsschauspieler genau jene Rolle, die er am liebsten spielt: den Familienvater.

Jon ist glücklich: „Musiker, die immer jammern, sollen doch die Gitarre in die Ecke stellen und sich einen richtigen lob suchen. Dann werden sie schon sehen, was das für ein Stress ist! Miete zahlen und sich fragen, ob das nun alles war im Leben. Was mich angeht: Ich kann mich nicht beklagen. Es ist geil, ein Star zu sein!“ Jon Bon Jovi, der am 2. März 1962 in Sayreville/New lersey als John Bongiovi seinen ersten Schrei tat, hat alles, was andere Männer nicht haben: Geld ohne Ende, Frau, zwei Kinder, großen Grundbesitz, Rock-Karriere, Filmkarriere. Nicht schlecht für den Sprössling eines sizilianischen Friseurs und eines ehemaligen Playboy-Bunnys. Am 29. Mai nun bringt Bon Jovi sein neues „Crush“ (steht im Amerikanischen sowohl für „zerquetschen“ als auch für „vernichten“) an den Start. Zudem wird der 3S-Iährige im Sommer in dem amerikanischen U-Boot-Film „U-571“ zu sehen sein. Keine Frage also: Der „Julio Iglesias des Rock’n’Roll“ (Stem) ist am Ziel seiner Träume angekommen, kann im Grunde tun und lassen, was er will. Und was macht dieser Kerl? Er setzt sich nicht etwa feist vor seinem Haus in Malibu an den Privatstrand, knackt die Biere in Rockermanier mit den Eckzähnen und zündet sich die echten Havannas mit echten Tausendern an. Nein, Bon Jovi nutzt seine kreative Freiheit und beglückt seine Fans mit immer neuen Arbeiten. Er dreht Filme, die bislang nur wenige sehen wollten und macht Platten, die alle Welt hören will. Die Neue (Besprechung auf Seite 53) ganz besonders, findet Gitarrist Richie Sambora, denn: „Das neue Album ist Bon Jovi für das neue Millennium. Ganz bestimmt. Wir wollten eine gutgelaunte Rock’n’Roll-Platte machen, und das haben wir auch hinbekommen. Die Aufnahmen dauerten nicht lange, vier Monate oder so. Das lag an den guten

Songs. Wenn man gute Songs hat, ist alles viel einfacher. Und wir sind wirklich sehr, sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Und die Leute werden es ganz bestimmt auch mögen.“ Ob man Bon Jovis Musik nun mag oder nicht (und wer einmal eine Frau zu „Always“ küsste, mag sie), man muss diesen Mann ganz einfach bewundern. Anders als eine ganze Reihe seiner musizierenden Kollegen war Bon Jovi nämlich nie der geborene Rock’n’Roller. Er war nie Außenseiter, verlebte in seiner Heimat New Jersey eine buchstäblich stinknormale amerikanische Jugend.

Alles andere als ein musikalisches Genie von Geburt an, hatte Bon Jovi mit 25 trotzdem schon seine erste Million verdient. Vor drei Jahren wurde er bereits auf 100 Millionen geschätzt. Dabei hatte alles so unspektakulär angefangen. Der junge Jon stand auf Musicals und absolvierte eine klassische Gesangsausbildung. Mit 17 gründete er seine erste Band, „Atlantic Expressway“. Ion spielte Gitarre und sang. Sein Schulfreund David Bryan Rashbaum stand am Keyboard. Die beiden Mähnenrocker und ihre wechselnden Kollegen aus dem Klassenzimmer coverten dumpfe Metalhits. Dummerweise vertrieb Jon mit seinem fanatischen Ehrgeiz ein Bandmitglied nach dem anderen. Nachschub wurde knapp, das Ziel aber blieb bestehen. Um mit seinen Musikanten als eine der Vorbands der damals ultrapopulären Blue-Eyed-Souler Hall & Oates im New Yorker Madison Square Garden auftreten zu können, ließ Jon sogar die Highschool-Abschlußprüfung in Englisch sausen. Und bald änderten sich nicht nur Bon Jovis schulische Pläne, sondern auch der Name seiner Band: erst in „Raze“, dann in „The Rest“. 1981 wurde der Combo endlich der lang ersehnte Plattenvertrag angeboten. Schade nur, dass Kumpel David sich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt für eine solide Ausbildung entschied und an die Musikhochschule wechselte. Ohne ihn konnte Jon den Vertrag nicht erfüllen. Also jobbte er ziemlich frustriert als Assistent im Plattenstudio seines Cousins; in Leerzeiten arbeitete er an eigenen Songs (als „Bon Jovi“ schließlich Erfolg hatte, forderte der Cousin prompt Kohle für Studiozeit und Producer-Know-How).

Jons damalige Bands hießen „The Lechers‘ und „The Wild Ones“, doch ein wirklich Wilder war Ion Bon Jovi nie. Nur die holde Weiblichkeit hatte es von jeher auf den blonden Beau abgesehen. In seiner Heimatstadt Sayreville ließ er sich mit schöner Regelmäßigkeit von gierigen Girls flachlegen. „Wenn ich damals besser gewußt hätte, wie es geht, wäre die Lehrerin auch noch dran gewesen“, grinst er heute. Die Musik vergaß Bon Jovi über seine amourösen Ambitionen jedoch nie. Nach einigem Hin und Her konnte er den Radiomoderator Chip Hobart für seinen Song „Runaway“ begeistern. Der Titel erschien auf einem lokalen Sampler, und dann bot das Label „Mercury“ erneut den begehrten Platten vertrag an. Doch prompt geriet Bon Jovi erneut in Not, denn wieder fehlte ihm die passende Band zum potentiellen Hit!

Was folgte, ist typisch für den pingeligen Jon: Die Mitglieder seiner eilig zusammengestellten Band waren so gut ausgesucht, dass das Line-up bis heute unverändert besteht. Jon Bon lovi (Gesang und Gitarre), Richie Sambora (Gitarre), David ßryan (Keyboards), Alec John Such (Bass) und Hector „Tico“ Torres (Drums) sind wohl auf ewig und alle Zeiten „Bon lovi“. Dass er seine Band nach sich selbst benannte, ist für den smarten Frontmann nur natürlich: „Ich hatte schon einen Hit und einen Platlenvertrag in der Tasche, als die Jungs dazukamen. Also lag es nahe, die Band auch nach mir zu benennen.“ Lästermäuler mögen es kaum glauben, aber die Bon Jovi-Mannschaft versteht tatsächlich etwas von Musik: Der zu Jon heimgekehrte David Bryan (Rashbaum) kam direkt vom Konservatorium, Alec arbeitete beim „Phantom der Oper“, Tico trommelte unter anderem bei Toto, und Richie spielte mit Kiss und mimte den Gitarristen in Travoltas Disco-Abenteuer „Staying Alive“. Ausgerechnet Richie Sambora mochte Jon am wenigsten und nahm ihn eher widerwillig in die Band auf. Heute schreiben die beiden als eingeschworenes Team die meisten Bon Jovi-Hits in trauter Zweisamkeit. Dazu Richie Sambora in der ihm eigenen Schlichtheit: „Wenn wir zusammenkommen, um Songs zu schreiben… na ja, das geht dann alles ganz einfach. Die Songs klingen einfach nach uns. Sie kommen einfach so aus uns raus. Und wenn sie dann noch große Hits werden… umso besser!“ 1984 erschien endlich das ersehnte (natürlich nach dem Meister benannte) Album „Bon Jovi“. Darauffanden sich der Hit „Runaway“ und eine Menge dröger Metalschrott. „Love Lies“, „Shot Through The Heart“ und „Burning For Love“ sind einige dieser frühen Titel. Bon Jovis frühe Werke stellten bereits Jons Fähigkeit zur gnadenlosen Verflachung persönlicher Gefühle unter Beweis. Und das, obwohl der Mann aus New Jersey stets Anerkennung als Künstler suchte – sie ist ihm, vor allem von der Kritik, bis heute weitgehend verwehrt geblieben. Statt dessen kreischen die Mädels laut „süüüüüüüß“, wenn allein nur sein Name fällt.

Wenn man Bon Jovi heute auf sein Äusseres anspricht, kann er sich das Lachen nicht verkneifen: „Mann, ich werde alt. Ich sehe echt nicht mehr so gut aus wie früher. Als ich das erste Mal auf den Titel einer Musikzeitschrift sollte und der Reporter mich über meine Frisur befragte, war ich sauer. Inzwischen weiß ich: Wenn die Leute meine Musik nicht mögen würden, dann würden sie sich auch nicht für meinen Haarschnitt interessieren.“ Erfolg stinkt nicht. Und so begab sich der wohlfrisierte Sänger mit seiner Langhaartruppe schon früh auf ausgedehnte Tourneen. Bon Jovi spielten als Vorgruppe von ZZ Top, Kiss und den Scorpions. Recht zackig sollte der Weg zum Weltruhm absolviert werden: 1985 folgte das Album „7800° Fahrenheit“, 1986 erschien „Slippery When Wet“. „7800° Fahrenheit“ war musikalisch nicht weiter bemerkenswert, verkaufte sich aber aufgrund nahezu pausenloser Tourneen und Promotionaktivitäten in lapan und den USA sehr gut. Mit dem dritten Album („Slippery When Wet“) bekamen Bon Jovi dann endgültig die Karrierekurve: Satte drei Hits („Wanted Dead Or Alive“, „You Give Love A Bad Name“ und „Livin‘ On A Prayer“) drängten in die Charts, woraufhin sich auch das Album 46 Wochen in den amerikanischen Top-Ten hielt (und einen „American Music Award“ gewann). Weltweit verkaufte sich „Slippery When Wet“ 13 Millionen Mal. Aber noch immer bezeichnet der durch und durch ehrgeizige Jon die ersten Alben als „nicht besonders erfolgreich“!

Nein, Bon Jovi kannte keine Gnade, denn noch war er kein Superstar: “ Slippery When Wet“ war sozusagen mein ,Thriller’/,Like A Virgin’/,Born In the USA‘ – der Durchbruch“, räumt er heute allerdings ein, um gleich darauf zu relativieren: „Die Jungs in der Band erinnern sich immer noch gern an diese Platte, aber ich überhaupt nicht. Ich war total kaputt, absolut erschöpft. Ich hatte Angst, dass die Leute unseren Erfolg für einen Zufall hielten, dass keiner glauben würde, wie gut wir wirklich sind. Also dachte ich, ich müsste unbedingt ganz schnell eine weitere Platte hinterherschieben, um zu beweisen, dass wir Substanz haben ehrlich, es war eine schreckliche Zeit!“ Es spricht für Bon Jovis Fähigkeit, die Bedürfnisse des Marktes punktgenau einschätzen zu können, dass der eilig produzierte Nachfolger von „Slippery When Wet“, „New Jersey“, musikalisch gesehen zwar einen Rückschritt darstellte (Jon besann sich auf seine Metal-Wurzeln), aber trotzdem sechs (!) internationale Hitsingles enthielt. Das „Munzinger“-Poparchiv, ein Standardwerk der Moderne, statuiert spröde: „Die Texte der amerikanischen Hardrockgruppe Bon Jovi bewegen sich zwar immer noch in banalen bis kitschigen Herz-Schmerz/Freud-Leid-Sphären, drücken aber in Verbindung mit fetzigen Ohrwurmmelodien recht gut Lebens- und Liebesfreude bzw. -Sehnsucht aus. Die Beschreibung jugendlichen Zusammenhaltens mit naiven Ewigkeitsschwüren ist eindrucksvoll in Noten und Worte umgesetzt.“ Wobei auffällt, dass Bon Jovi „den heutigen Erwachsenenalltag eher nüchtern und beklagenswert“ darstellt. Genau wie hierzulande Pur fasst Bon lovi den Frust über die engen Grenzen der Erwachsenenwell in einfache Worte.

Als erfolgsorientierter Amerikaner vermied Jon bewusst alle politischen Texte, um nur ja keinen potentiellen Plattenkäufer zu verschrecken. Und so wurde „New Jersey“ denn auch als erstes Hardrockalbum offiziell in der Sowjetunion vertrieben, wo Bon Jovi im Sommer 1989 mit Ozzy Osbourne und den Scorpions beim Rock & Peace-Festival in Moskau aufspielten. Danach jedoch hatte Jon Bon Jovi die Nase erst mal gestrichen voll. Erfolg ist zu erreichen, was man will. Glück ist, zufrieden zu sein mit dem, was man hat. Jon Bon Jovi hatte alles. Aber er war unglücklich. Der hart erarbeitete Welterfolg strengte Jon vor allem an. „Also sagte ich den Jungs: Wir müssen mal eine Pause machen.“ In dieser Zeit (1988-1992) veröffentlichte Richie Sambora sein erstes Soloalbum („Stranger In This Town“), und Bandboss Bon Jovi schrieb seinen ersten Soundtrack („Young Guns“). Der Song „Blaze Of Glory“ wurde ein Hit, im Film (siehe Kasten auf der nächsten Seite) wurde Jon sofort erschossen. Drei Jahre nach „Young Guns“ traten Bon lovi mit „Keep The Faith“ wieder als Band in Erscheinung. Dann wieder eine Pause: zwei Jahre bis zum Best-of-Album „Cross-roads“, drei bis zum nächsten Studiowerk „These Days“ (1995). Und nun vergingen volle fünf Jahre bis zum 2000er Album „Crush“, eine Platte, die – gemessen an anderen Werken aus New Jersey – auf ungewöhnlich positive Resonanz gestoßen ist. Genau wie Bon lovis Filme. „Es ist schon seltsam“, grübelt der deutlich gereifte US-Star, „für meine Filme kriege ich tolle Kritiken, trotzdem habe ich mit ihnen bisher nicht den ganz großen Erfolg gehabt. Im Musik-Business dagegen nimmt mich keiner so richtig ernst, aber ich habe über 80 Millionen Platten verkauft!“

Trotzdem: Der Steher Jon Bon Jovi beklagt sich nicht, und zu bereuen hat er schon gar nichts: “ Bis weil in die Achtziger habe ich das Klischee des Rock’n’Rollers gelebt. Es war ein aufregendes Leben.“ So aufregend, dass Bon Jovi mit zunehmendem Alter ruhiger geworden ist: „Ab 30 sollte man kürzer treten. Sonst macht man sich lächerlich und ruiniert zudem seine Gesundheit.“ Ohne Hilfe von Yoga (Sting), Buddhismus (Richard Gere) oder Rosenzucht (Mick Jagger) hat Bon Jovi es geschafft, eine heilsame Balance zwischen Einsatz und Erfolg, Karriere und Privatleben, Ehrgeiz und Entspannung zu finden. Dreh- und Angelpunkt im Leben des Amerikaners ist neben seiner Musik und den Filmen Bon Jovis Familie. Seine Frau Dorothea und die Kinder Jesse James Louis (5) und Stephanie Rose (7) geben ihm jenen Halt, den man als Rockstar nun mal braucht. Bewusst jungendfrei denn auch Bon Jovis kleine Witzchen: „Meine Frau kriegt natürlich mit, was sich vor der Bühne so abspielt, wenn ich mit der Band unterwegs bin. Aber manchmal könnte sie doch ein bisschen eifersüchtiger auf die Groupies sein, finde ich.“ Spricht’s – und findet gleich darauf wieder zu jenem reifen Ton zurück, den ihn das Leben im gnadenlosen Showbusiness über die lahre hinweg gelehrt hat: „Ich habe viele Jahre gebraucht, um zu kapieren, dass ich Abstand halten muss, um mit meinem Leben – mit den Siegen wie auch mit den Niederlagen – auf vernünftige Weise umgehen zu können. Glücklicherweise fällt mir das inzwischen viel leichter als früher. Wir kommen irgendwo hin und setzen unsere musikalischen Duftmarken. Wenn es den

Leuten gefallt, toll. Wenn nicht, auch gut. Gitarrist Richie Sambora freut sich derweil über die relaxte Entstehung des neuen Albums: „Yeah, das war irgendwie gut. Wir haben ‚Crush‘ komplett in New Jersey aufgenommen. Da hat Jon ein richtig tolles Studio gebaut, wirklich sehr gemütlich.“

Keine Frage: Mit Jon Bon Jovi und Richie Sambora ist ein Gespann am Werk, das unterschiedlicher kaum sein könnte. Auf der einen Seite der stets verbindliche, freundliche Frontmann, auf der anderen das sympathische, erdige Raubein Sambora. Das Geheimnis ihres gemeinsamen Erfolges liegt wohl darin begründet, dass der eine den anderen inzwischen einfach so akzeptiert, wie er nun mal ist und jeder den anderen seinen eigenen Weg gehen lässt. Etwas, das Jon Bon Jovi auch außerhalb des Bandgefüges für sich in Anspruch nimmt: „Ich muss keinem mehr in den Arsch kriechen, um etwas zu erreichen. Wenn jemand mich für einen Film oder ein Album bucht, komme ich morgens hin und leiste gute, harte Arbeit. Das habe ich in der Vergangenheit hinlänglich unter Beweis gestellt. Und wenn jemand lieber nicht mit mir arbeiten möchte auch gut. Aber ganz egal ob Musik, Film oder Familie: Zur selben Zeit kann man nur in einem dieser Bereiche richtig gut sein.“ Wie viele andere auch musste Jon Bon Jovi erst mühsam lernen loszulassen. Das gelang ihm, weil ihm die vielen Erfolge in dem, was er tat, Bestätigung gaben: „Inzwischen kann ich selbst entscheiden, auch mal weniger zu arbeiten und mich statt dessen einfach ein paar Tage zu Hause auf die Couch hauen, wenn es nötig ist. Früher habe ich immer versucht, alles unter einen Hut zu bekommen und es jedem recht zu machen.“

Weil er Filme drehen will, präsentieren Jon und seine Band das neue Album weltweit vorerst auf nur 50 Konzerten. „Dafür packe ich noch nicht mal ’ne zusätzliche Zahnbürste und Extra-Unterwäsche ein“, sagt Tournee-Profi Jon erleichtert. Liberhaupt sind Konzerte für ihn kein so großes Erlebnis mehr: „Ich kann verstehen, dass die Fans uns am liebsten zweimal im Jahr live sehen würden. Aber ich will keine 250 Konzerte mehr geben. Inzwischen stehe ich auf der Bühne, sehe mich auf den riesigen Videoleinwänden und denke darüber nach, wo wir im Anschluss an die Show essen gehen werden oder was danach im Femsehen läuft.“ Kollege Sambora steht, wie schon zu erwarten, dem Tourneerummel völlig anders gegenüber als sein Partner und Boss: „Die Band ist gigantisch, und es wird riesige Konzerte geben. Wir sind alle ganz aufgeregt. Wir waren ja seit 1996 nicht auf Tour. Dabei sind wir ja mindestens genauso sehr Entertainer wie Rock’n’Roller.“ Für den nachdenklich gewordenen Jon Bon Jovi ist „Rock’n’Roller“ inzwischen weder Beruf noch Lebensinhalt. Eher schon eine An, mit Spaß und solider finanzieller Ausstattung besser durchs Leben zu kommen als die meisten anderen. „Ich bin höllisch froh, nicht mit einer Krawatte um den Hals ins Büro zu müssen“, grinst er zufrieden. „Crush“, das neue Album, nennt Kommerzmeister Bon Jovi „massenkompatibel“. Zu Recht, denn die Songs reichen von der offiziellen Hymne zur Fußball-Europameisterschaft („lt’s My Life“) über den Feuerzeugschwenker „Thank You“ bis hin zu der sechsminütigen Gitarren-Ode „100 Years“. Bon Jovi 2000, das ist Rock und Pop für die ganze Familie. Doch auch diesen Anspruch begreift der gereifte Rocker, wie fast alles in seinem Leben, als „Herausforderung“. Bon Jovis Devise lautet: durchhalten! Und so fällt ihm das folgende Statement denn auch alles andere als schwer: „Ich würde eher aus dem Fenster springen, als vor einer Herausforderung davonzulaufen. Das ist auch das Wichtigste, was ich meinen Kindern beizubringen versuche. Lieber scheitern als aufgeben! Ich bin auch schon auf die Nase gefallen, aber das ist allemal besser, als wenn man sich dauernd fragen würde ,was wäre wenn?'“ Bon Jovi, soviel scheint sicher, ist ein Macher. Ein erfolgreicher noch dazu und außerdem ein Star ohne Allüren: „Zu den Dreharbeiten von ,11-571′ auf Malta bin idi ganz allein gefahren, ohne Bodyguards. Und ich bin auch allein zum Joggen an den Strand gegangen, kein Problem. Arroganz entsteht nur durch Unsicherheit, aber ich habe beruflich alles erreicht. Ich kann es mir leisten, selbstsicher zu sein. Und generell gilt: Je größer der Star, desto netter ist er als Mensch. Mit wachsendem Erfolg wird man weniger egoistisch, denn man ist auf den Erfolg nicht mehr so angewiesen, um sich zu definieren.“ Was seine filmischen Ambitionen betrifft, möchte Bon Jovi sich sobald wie möglich im Charakterfach versuchen: „Bei etwas Anspruchsvollem wie `Kramer gegen Kramer‘ oder ,Butch Cassidy‘ würde ich gern mal mitmachen. Denn obwohl wir uns bei ,11-571′ alle Mühe gegeben haben, den Heldentaten unserer tapferen Soldaten gerecht zu werden, macht das aus mir ganz bestimmt noch nicht den nächsten Schwarzenegger, Bruce Willis oder Sly Stallone.“ Zum Film, so scheint’s, hat Bon Jovi ohnehin eine andere Einstellung als zu seiner Musik: „Ich komme, stelle mich dorthin hin, wo ich mich hinstellen soll, spiele meinen Part und gehe wieder nach Hause. Ich habe praktisch keinen Einfluss auf das Endergebnis. Und ich finde es zur Abwechslung mal sehr angenehm, keine Verantwortung zu tragen.“

Wenn Jon solches dsagt, erinnert er an den Schauspieler Kevin Spacey, der in „American Beauty aus einer zerbröselnden Kleinstadt-Vorhölle flieht und in der Burgerbraterei um die Ecke „den Job mit der geringstmöglichen Verantwortung“ antritt. Bon Jovi grinst. Denn ihm ist durchaus bewusst, dass man das Leben in einem Band-Cefüge und die damit verbundene Verantwortung nicht so einfach abstreifen kann. Mit Blick auf die neue Platte sagt er dann auch: „Eigentlich wollte ich diesmal ja ein Soloalbum aufnehmen. Aber dann wurde mir klar, dass ich ein paar bestimmte Songs doch lieber mit Richie schreiben sollte. Zudem fehlten mir auch die restlichen Jungs irgendwie. Also wurde ,Crush‘ ein Album der ganzen Band. Und das ist toll so. Mal bin ich der Boss, mal mache ich bloß meinen lob, und am allerliebsten bin ich sowieso Ehemann und Vater. Mein Leben ist einfach ganz genau so, wie ich es mir immer gewünscht habe.“ Wohl dem, der solches sagen kann.