The Chemical Brothers


Selbst überzeugte Techno-Jünger sind nicht darauf erpicht, zwei Herren zwei Stunden lang beim Bedienen von DAT-Geräten zuzuschauen. So geschehen vor zwei Jahren, als die Chemical Brothers zum ersten Mal in Deutschland auftraten. Wie sich die Zeiten ändern. Dieses Mal spielte es keine wesentliche Rolle, was der langhaarige Tom Rowlands und sein kurzfrisierter Kollege Ed Simons oben anstellen. Sie waren in ihrer üppig ausgestatteten Maschinenburg vergraben und kaum zu sehen. Auf das Drumherum kam es an. An allen vier Seiten des Raumes waren Boxentürme aufgestellt, und wer sich in die Mitte des beschallten Areals begab, der konnte sich einmal persönlich einen Eindruck darüber verschaffen, was das heißt, Quadrophonie: wie auf einer gigantischen Soundwoge fühlte man sich da getragen, und immer wieder ging es mit voller blockrockender Phonkraft voraus. „Hey Boy, Hey Girl“ hieß die Einladung zur Sause durchs Techno-Rave-Imperium, durch auf zahlreichen Projektionsflächen flackernde Bilderfluten. Pausen gab es kaum. Die Chemical Brothers agieren wie Discjockeys, mischen ein Stück ins nächste und kreieren so einen Flow, der einzigartig ist, nicht zuletzt, weil bei ihnen der stilistische Schwerpunkt innerhalb des Dance-Rahmens oft und teilweise abrupt wechselt. Mal ist es Techno pur, mal Hip-Hop, mal Ambient-Psychedelia. Doch nie läuft hier einfach nur ein DAT durch, immer sieht man Rowlands, wie er Sounds für den nächsten Break auslöst, an Reglern dreht, dort noch ein Sample abruft, während sich Simons auf Rhythmusgrundierungen konzentriert. Techno und Live-Performance schließen sich aus, so die bisherige Theorie. Seit den Chemicals ist sie überholt.