Shania Twain – London, Wembley Arena


„ZWAR HAT DIE COUNTRY-GEMEINDE Shanias bestechende Tracks als erste für sich beansprucht, doch auf den 16 Songs von ,Come On Over‘ wechseln sich Pop und Rock munter ab“, schwadroniert das Presseinfo. Shania Twain, Amerikas New Country-Superstar der Saison, ist auf dem Sprung in die Alte Welt. Ihr in der Tat sehr spektakulärer Debüt-Auftritt in Großbritannien stellte indes eines klar: Sie und ihre Band sind weder „Pop“, noch „Rock“, schon gar nicht „Country“ – sie sind die neuen Village People. Beleg eins: Diese Musik ist eine derart gnadenlose Anhäufung von an der Kasse erprobten Klischees aus der Welt des rockenden Country & Western, daß die Vorstellung geradezu verstiegen erscheint, jemand habe bei der Komposition Herzblut geschwitzt und nicht einfach das Nashville-Verzeichnis der meistverkauften Akkord-Kombinationen gefleddert. Beleg zwei: das Show-Talent von Shania und Band. Noch das kleinste Schrittchen, die winzigste Geste ist sekundenbruchteilgenau eingeübt. Immer wieder darf einer der Musiker – gestandene Mannsbilder, die frisch dem Kraftraum entsprungen scheinen – neben Shania hintreten und eine gigantische Kreativgrimasse schneiden, wahrend er die paar Töne seines Solos erquietschen läßt. In der Masse von rockendem Lärm gerade unbeschäftigte Musiker vollführen mit Drumsticks Tricks oder malen mit Geigenbögen „S“ in die Luft. Und der Drummer hat seine Cymbals so hoch aufgehängt, daß er jedes Mal in die Luft springen muß, wenn er draufschlagen will – Show total ist hier die Devise. Gegen Ende unterbricht Shania, um zwei heftige, tätowierte Damen aus dem Publikum hieven zu lassen:“Das sind Valentina und Heika – meine größten Fans aus Deutschland“, verkündet sie und grinst dabei wie Siegfried und Roy zusammen. Später, in der Zugabe, wird sie von der Bühne auf ein Schild steigen und von einer weiteren Muskeltruppe durchs Publikum hinfortgetragen werden. Genau. Wie der Häuptling in „Asterix“. Europa, sei gewarnt: Planet Nashvegas hat Kontakt aufgenommen.