Tool
Auf Aenima antworten Tool dem Kreislauf von Drogen und Gewalt im Moloch Los Angeles mit einem Schreckensszenario
Ordnung ist Korruption und Untergang. Chaos ist Freiheit und Erlösung. Maynard James Keenan ist ein Anarchist hinter der Maske eines Stoikers. Jemand, der sich stundenlang ausschweigt, seine Emotionen völlig unter Kontrolle hat und auf der Bühne zur Furie wird. Dabei hat der ehemalige Zeitsoldat, Jiujitsu-Meister und Gelegenheits-Komödiant eine klare apokalyptische Vision vom Untergang seiner Wahlheimat Los Angeles. Ähnlich wie im neuen John Carpenter-Streifen ‚Escape From LA.‘ soll der unkontrollierbare Moloch aus Dreck, Drogen und Gewalt von einer Sintflut hinweggespült werden. Die Patentlösung liefert Keenan mit dem zweiten Album seiner Band Tool gleich mit: ‚Aenima‘, der medizinische Fachausdruck für einen Einlauf, versteht sich als klanggewordene Naturkatastrophe, die wiederum als sozialer Allzweckremiger fungiert. „Wir sind gefangen in einem Netz von Problemen, und die einzige Möglichkeit, sich daraus zu befreien, ist einfach alles wegzuspülen und noch einmal ganz von vorne anzufangen“, erklärt Keenan.
Doch Tools bedrohliche Endzeit-Sinfonien wollen nicht nur Denkanstoß, sondern auch Ausdruck kommerzieller Verweigerung sein. Adam Jones, Danny Carey, Justin Chanchellor und Maynard verkörpern eine Anti-Ideologie, die sie an sich selbst festmachen. Schließlich verfolgen sie die fixe Idee, eine imagelose, aber keineswegs obskure Band zu sein. Auf Fotoshootings, Videodrehs oder Singleveröffentlichungen würden sie am liebsten ganz verzichten. „Es geht uns nur um die Musik, und nicht darum, was wir tragen, wen wir kennen, wie wir aussehen oder was wir in unserer Freizeit machen“, sinniert Maynard. „Die Musik steht immer im Vordergrund, und wer uns mag, soll uns auch aus den richtigen Gründen mögen.“ Tool machen, was sie wollen, und der Erfolg ihres Platin-Albumdebüts ‚Undertow‘ gibt ihnen recht.
Nach dreijähriger Pause setzt ‚Aenima‘ den eigenwilligen Kurs fort. Davon zeugen die irrwitzigen Zwischenspiele, die die Intensität der zehn Songs immer wieder auflockern. Andernfalls wären die 77 Minuten gebündelter Schwarzmalerei auch kaum zu ertragen. „Monty Python haben diese Technik für ihren Film ‚The Meaning Of Life‘ benutzt, und wir hielten das für eine großartige Idee. Die Leute können während der Zwischenspiele aufs Klo gehen, sich einen Drink genehmigen und dann in Ruhe weiter hören.“ Die moderne Apokalypse funktioniert also auf Raten: Bei Bier, Chips und treibendem Stuhlgang.