Eine Frau geht ihren Weg: Jule Neigel weiß genau wo sie hin will


Die Fee hat Pickel auf der Stirn und ihren Stimmbändern merkt man an diesem herrlich-sonnigen Morgen an, daß sie von zuviel Zigarettenrauch malträtiert wurden. Die Nacht war äußerst kurz gewesen, „es gab was zu feiern“, grummelt Jule Neigel, irgendwo im Niemandsland zwischen müde und vergnügt, während sie versucht, die ansonsten tellergroßen Augen einen Spalt breit aufzukriegen. Zu feiern ist in jedem Falle ‚Sphinx‘ das fünfte Album der aparten Mannheimerin mit der wild wuchernden Lockenpracht und der üppig-weiblichen Figur. Während die vorhergehenden Produktionen von Mal zu Mal erfolgreicher wurden und parallel dazu seichter und orientierungsloser klangen, hat der inzwischen 30jährige Wildfang aus „BASF-Town“ jetzt wieder zu den eigenen Ursprüngen zurückgefunden: Blues, Gospel und jede Menge kerniger Rock. Oder, um es in Frau Neigels eigenen Worten auszudrücken: „Diese Platte hat Eier.“ Kein Wunder, denn „schließlich war ich stets ein Mensch, der geradeheraus agiert hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man mit einer Einstellung, in der es keine Umwege gibt, das Leben am besten meistert. Meine Stimme ist demnach nur der Ausdruck für meine innere Verfassung.“ Nein, mit Lügen, Bezirzen und Taktieren hat sie’s nicht, sie will sich bei niemandem anbiedern und hält nichts von Machtspielen, denn „ich glaube an das Karma, ich glaube daran, daß alles, was man Gutes oder Böses tut, irgendwann zu einem zurückkommt. Richtig, vom Buddhismus habe ich eine Menge gelernt“, bekennt sie. Dieser Philosophie ist sie speziell in den letzten zwei Jahren näher gekommen, als es sie auf mehrmonatigen Reisen immer wieder nach Asien zog, wo „ich mich auf merkwürdige Weise geborgen, beinahe schon zu Hause fühle“. Zum Abschied schenkt mir Jule Neigel ein sardonisches Lächeln, das wohl kein Mann der Welt richtig deuten könnte, und sie sagt: „Ich weiß wovon ich singe. Wenn man mir nachsagt, ich sei ein Vollblut-Weib, fasse ich das als Kompliment auf. Ich wollte nie etwas anderes sein.“