Notting Hill Carnival: Londons Karibikviertel im Partyrausch
Fünfzig Sound Systems und Discos, drei Live-Bühnen, Dutzende von dekorierten Lastwagen mit Calypso™ Bands und Steeldrum-Orchstern hintendrauf und pfauenbunten Maskengruppen dahinter, 7000 Bobbies, zwei Millionen Raver und das alles auf sieben Kilometer Straße verteilt – das ist der Notting Hill Carnival, alle Jahre wieder, alle Jahre größer und längst das Fest des Jahres auf der Insel. Höchstens der Karneval in Rio kann da in punkto Sinnesrausch noch mithalten. Heuer geht der Karneval in London zum 31sten Mal, wie jedes Jahr am Bank Holiday-Wochenende (23.-25. August), über die Bühne. Und selbst die um sich greifende Kommerzialisierung mit umfassendem Sponsoring, Softdrink-Postern und Massen von Radioreportern schaden dem Vergnügen kaum.
Dabei begann alles ganz klein: Ein paar Exiljamaikaner und -trinidader taten sich zusammen, um in nostalgischer Erinnerung an den heimischen Karneval in ihrer Straße eine kleine Fete steigen zu lassen. Selbstverständlich lädt das Londoner Wetter im Februar nicht eben zum Feiern im Freien ein, also verlegten die rührigen Exilanten ihre Party kurzerhand in den Sommer. Im Nu tat nicht nur die kleine Straße, sondern das ganze, seit den späten 50er Jahren karibisch angehauchte Viertel um den Ladbroke Grove mit. 1976 kam es zu Schlägereien zwischen Polizei und Publikum was die Anziehungskraft für Partyfreaks aus umliegenden Stadtteilen nur noch verstärkte.
Heute sind die Zeiten friedlicher: Schwarze Musik in all ihren Schattierungen – von Reggae und Soca bis hin zu Rap und Jungle – erfreut sich eines großen, gemischtrassigen Publikums. So ist der Notting Hill Carnival heute weniger ein Akt schwarzer Selbstdefinition in einer fremden Umgebung denn eine für jedermann zugängliche Mega-Party mit völkerverbindendem Charakter. Und nebenbei ist der Carnival einmal im Jahr das beste Thermometer des musikalischen Klimas in London.