Zweieinhalb Jahre nach Kurt Cobains Tod erscheint das von Krist Novoselic und Dave Grohl kompilierte Nirvana-Livealbum


Kurt darf einfach nicht sterben. Am 8. Oktober soll in den USA die i lang angekündigte, lang erwartete Nirvana-Live-CD in den Läden stehen. Auch für Europa ist Anfang Oktober als Veröffentlichungstermin ins Auge gefaßt.

Im Sommer 1994, nur wenige Monate nach Kurt Cobains Selbstmord am 5. April, hatten sich die verbliebenen Bandmitglieder Dave Grohl und Krist Novoselic daran gemacht, als letzten offiziellen Nirvana-Release eine Doppel-CD namens ‚Verse Chorus Verse* zusammenzustellen. Diese sollte, so kündigte damals Nirvanas Company Geffen an, zum einen den im Dezember 1993 für MTV Unplugged eingespielten Akustikset enthalten, zum anderen eine Auswahl von Livemitschnitten aus der gesamten Geschichte der Band bieten. Die Arbeit an dieser Platte, das Sichten der unzähligen über die Jahre entstandenen Aufnahmen, die intensive Beschäftigung mit ihrer Musik war für Novoselic und Grohl so kurz nach Cobains Tod aber emotional einfach zuviel, der Abstand zu den Ereignissen noch nicht groß genug. Ende August 1994 verlautete dann, das Projekt Liveplatte würde vorerst auf Eis gelegt. Ende desselben Jahres erschien ‚Unplugged In New York‘ separat und ohne Promoaktivitäten von Seiten der Restband, die bis heute letzte offizielle Neuveröffentlichung von Nirvana.

Dave Grohl und Krist Novoselic wandten sich eigenen Projekten zu. Grohl feiert mit seinen Foo Fighters veritable Erfolge, das erste Album erschien bereits letzten Sommer. Zwar hat auch Novoselic eine Band, Sweet 75, auf die Beine gestellt, auf deren ersten Tonträger wartet man aber bisher vergeblich. Der baumlange Bassist engagiert sich im Kampf gegen die Zensurbemühungen der wiedererstarkten konservativen Kräfte in den USA Fast zwei Jahre nach ihrem Rückzieher haben sich Novoselic und Grohl dazu entschlossen, die Arbeit an dem Live-Album wiederaufzunehmen. Mit der selben Zielsetzung wie beim ersten Anlauf: ein Dokument der Live-Band Nirvana in einwandfreier Tonqualität neben die zahlreichen Live-Bootlegs zu stellen — als Schlußstrich unter das Kapitel Nirvana. Durch den Wegfall der bereits veröffentlichten Unplugged-Tracks steht auf der neuen Doppel-CD die doppelte Spielzeit zur Verfügung. Diese sollte sich jedoch leicht füllen lassen. Die Auswahl, die Grohl und Novoselic in langen Sessions in Vancouver getroffen haben, umfaßt Livemitschnitte aus der gesamten Geschichte der Band, von der Anfangszeit 1989 bis hin zur letzten Tournee, die 1994 in München nach einem psychischen wie physischen Zusammenbruch Cobains unterbrochen wurde und nie fortgesetzt werden sollte. Nahezu alle von den Studioalben bekannten Songs werden auf der Compilation (Arbeitstitel: ‚From The Muddy Banks Of Wishkah‘, in Anspielung auf den kleinen Fluß in Cobains Heimatstadt Aberdeen/Washington) in unveröffentlichten Live-Versionen zu hören sein, plus einige bisher nur auf Bootlegs erhältliche Tracks.

Novoselic und Grohl nehmen bewußt das Risiko auf sich, daß ihnen die Veröffentlichung als finanzielle Ausschlachtung von Cobains Tod angekreidet werden könnte: die Popularität Nirvanas ist ungebrochen, hunderttausende Fans weltweit warten gierig auf Neues, Unveröffentlichtes, Ungehörtes von Nirvana. „Die Fans würden der Plattenfirma alles aus der Hand reißen, wo Nirvana draufsteht“, stellt Lisa Worden, Musikchefin des US-Alternative-Senders KROQ fest. Täglich laufen bei ihrem Sender Hörerwünsche nach Nirvana ein. Um sich vom Verdacht der Geschäftemacherei freizuhalten, verweigern Grohl und Novoselic allerdings jegliche Promoaktivitäten anläßlich der Veröffentlichung des Live-Albums, auch begleitende Videos wird es nicht geben.

Eine Unbekannte gibt es in dem ganzen Spiel: Cobains Witwe Courtney Love — berüchtigt für ihre Unberechenbarkeit — hat in Nirvana-Angelegenheiten genausoviel zu sagen wie die beiden Ex-Bandmitglieder. Bisher hat sie ihr „Okay!“ für die Compilation noch nicht gegeben. Mark Kates, Loves A&R-Manager bei Geffen Records, der gleichzeitig auch Nirvana betreut, informiert die Witwe laufend über das Projekt. Bisher zeigte sie aber noch kein Interesse, auch die Songs wollte sie noch nicht hören. Courtney Love, so ein Sprecher ihres Managements, sei nicht erreichbar, weil im Urlaub. Nirvana-Fans dürfen also schon mal die Daumen drücken, daß sich Mrs. Love nicht noch in letzter Minute querstellt…