„Musik als frei verfügbare Information“


Dabeisein ist alles. Der Münchner Wissenschaftler Dr. Werner Degenhardt über die vielfältigen Möglichkeiten des Internet

Noch vor zwei Jahren eine Provinz von Forschern, ist das Internet inzwischen so etwas wie ein Informationsnirvana geworden, ein riesiges, multikulturelles Kommunikationszentrum, das den ganzen Tag geöffnet hat, auch für den normalen Computernutzer. Tatsache: Wer das Web gesehen hat, ist ihm verfallen. Daß in Deutschland nur in drei Prozent aller Haushalte ein PC mit Modem zu finden ist, davon wahrscheinlich nur ein Prozent mit einer Ausstattung, die Global Music hörbar macht, kümmert im Augenblick keinen mehr. Zu schön sind die Prognosen, zu wunderbar sind die Möglichkeiten, die sich den Beteiligten bieten. Wie alle technologischen Innovationen löst auch die Datenautobahn in ihrer ersten Inkarnation des World Wide Web (WWW) Spekulationen darüber aus, wie das alles enden wird. Da gibt es wie immer Optimisten und Pessimisten, aus Kommerz und Kultur. Und den Staat mit seinen Organen, den gibt es natürlieh auch noch. Wenn Rechtsverletzungen im Chaos des Internet auch jetzt noch kaum zu verfolgen sind, die wilden Zeiten sind vorbei und die goldene Zeit der Rechtsanwälte bricht an. Kenntnis und Beachten des Copyrights sind beim typischen Web-Hacker denkbar gering ausgeprägt. Nach der Internet-Ethik sind Informationen frei und dazu da, verbreitet zu werden. Einen World-Wide Copyshop, das werden die Medienkonzeme allerdings nicht hinnehmen können und man darf auf die ersten Musterprozesse gespannt sein. Das Interessante dabei ist, daß das Web seiner rechtlichen Behandlung weit voraus ist. Das Web ist global, die Rechtssprechung nicht. Die Medienkonzerne selbst sehen die Web-Sites mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Auf der einen Seite haben sie hier ideale neue Vertriebswege für die persönliche CD, bei der sich der Käufer interaktiv die CD seines Geschmacks aus dem Angebot des Labels zusammenstellen kann. Auf der anderen Seite fehlen bislang dem Zahlungsverkehr im World-Wide Web und den neuen Electronic-Cash Konzepten jede rechtliche Basis. Wenn sich allerdings das durchsetzt, was die http://www.stones.com vormachen, wird das den Vertrieb von Musik vollkommen verändern. Für die Musiker selbst – zumindest für die Unzähligen, die nicht von einem Kulturkonzern zum Star gekürt wurden – ist diese Entwicklung natürlich optimal. Die Entwicklung einer globalen Musik-Subkultur könnte nicht schon am Keimling beschnitten werden. Musik wäre für lange Zeit wieder frei verfügbare Information und die zahllosen Bands ohne Agentur könnten ihre eigene Fangemeinde pflegen und zwar in Stückzahlen, die die Arbeit schon belohnt. Es ist ja schon eine eigenartige Situation, wenn Musiker, die bei der Produktion die Elektronik selbstverständlich einsetzen und beherrschen, bei der Verteilung an die Interessenten wieder in der Frühzeit der Industriegesellschaft landen. Das beherrschende Gesetz der großen Stückzahl wird jedenfalls in ein paar Jahren der Vergangenheit angehören und die Musiklandschaft wesentlich verändern. Der kurze Weg vom PC ins Netz macht die schwerfällige und teure Verteilungsindustrie überflüssig und führt zu einer bis dahin unbekannten Vielfalt in einer globalen Musikkultur.