Zusammenfassung

An jeder Ecke ein König: Ein Rückblick auf die 2. Staffel von „Game of Thrones“


Seit dem 14. April 2019 läuft die finale, achte Staffel „Game of Thrones“. Grund genug, um sich noch einmal mit den Anfängen der Serie zu beschäftigen: In der 2. Staffel wurde ein Kleinwüchsiger endgültig zum Helden.

So sehr man Sean Beans Charakter Ned Stark zu Beginn der Serie auch mochte – sein Tod war das Beste, was „Game Of Thrones“ zu diesem frühen Zeitpunkt passieren konnte. In doppelter Hinsicht sogar. Zum einen wurde dadurch der Weg für neue, spannende Handlungsverläufe frei, zum anderen war Bean durch seine Rolle in „Der Herr der Ringe“ bereits vor Serienstart eine Fantasygröße und zog einen Großteil der Sympathien und Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich. Das Oberhaupt der Familie Stark hatte einen edlen Charakter und war der geborene Held – diese moralische Instanz konnte in einer Welt aus Machtgier nicht lange überleben.

Denn als Ned Stark und Robert Baratheon, der zu Beginn der gesamten Erzählung auf dem Thron sitzt, die Bühne Westeros verlassen haben, beginnt das Game in „Game Of Thrones“ ja erst so richtig. Die Lannisters befinden sich zum Start der Staffel bereits im Krieg mit dem Norden, dazu erheben ein halbes Dutzend mehr oder weniger qualifizierte Lords Anspruch auf den höchsten Adelstitel. Catelyn Stark bringt es auf den Punkt: „Plötzlich gibt es in jeder Ecke einen König.“ Was die Witwe genervt ausstößt, bringt in der zweiten Staffel hervorragend inszenierte Ränkespiele und Intrigen hervor. Die schönsten davon im Norden, wo Theon Greyjoy seiner Ziehfamilie mit größtmöglicher Überheblichkeit und Inkompetenz in den Rücken fällt. Oder in den Gemächern Stannis Baratheons, wo die freizügige Hexe Melisandre den Möchtegern-König erst verführt und ihn dann samt seiner Armee in eine fatale Schlacht quatscht.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Ganz nebenbei schenkt sie ihrem Vorgesetzten statt eines Kindes einen aus Rauch bestehenden Dämon, der einen strategisch wertvollen und äußerst tückischen Mord an einem Konkurrenten verübt. Wurde das fantastische Element in der Premierenstaffel noch weitestgehend im Hintergrund gehalten, bricht es in der zweiten Staffel deutlich öfter durch. Der Rauchdämon, kurze Momente mit den Weißen Wanderern, angeblich unsterbliche Hexer mit der Kraft, sich zu duplizieren – die vielen Möglichkeiten, die diese Welt zulässt, werden den Zuschauern bewusst. Und da sind dann auch endlich die Drachen, um die es in „Game Of Thrones“ laut abfälliger „It’s all about tits and dragons“- Kurzzusammenfassung von Ian McShane ja die ganze Zeit gehen soll.

Warten auf die Drachen

Auf die fliegenden Geheimwaffen bezogen, muss man in dieser Staffel allerdings einige Enttäuschungen hinnehmen. Weil Drachenmutter und Serien-Postergirl Daenerys für geschlagene zehn von zehn Folgen in irgendeiner uninteressanten Stadt mit noch viel uninteressanteren Typen feststeckt und die Bestien, bedingt durch das damals noch etwas schmalere Budget, wenige Auftritte haben, um Staunen und Schrecken zu verbreiten. Was fernab von Westeros passiert, ist wohl zu keinem Zeitpunkt der Serie so zäh wie in Staffel zwei. Es wird schließlich noch eine ganze Weile dauern, bis Daenerys mit ihrer gigantischen Armee und ausgewachsenen Drachen die Bühne Westeros betreten wird. Im Jahr 2012, als die Staffel gesendet wurde, lässt sie sich noch ihre Drachen klauen und von fast jedem Übelmeinenden austricksen, der ihr über den Weg läuft.

Tappt in die Falle: Die Drachenmutter.

Jon Snow ergeht es derweil nicht viel besser. Für die Nachtwache begibt er sich auf Erkundungstour in den Norden, trifft statt aufregender Weißer Wanderer aber nur auf Wildlinge, deren Charaktere im Vergleich zu den meisten anderen Figuren der Serie zu eindimensional sind, um wirkliches Interesse zu wecken – mal abgesehen von der rothaarigen Schönheit, der Jon Snow in den verschneiten Bergen begegnet. Und mit der er dann ganz furchtbare Dialoge über Sex führen muss.

Wankende Welten: Ein Rückblick auf die 1. Staffel von „Game of Thrones“
Jon Snow und die Drachenmutter sind für zehn Folgen also mehr oder weniger weit ab vom Schuss unterwegs. Davon profitiert haben der kleinwüchsige Darsteller Peter Dinklage und alle Fans der Serie, die sich vor allem vom alltäglichen Wahnsinn in King’s Landing begeistern lassen wollen. Nach Sean Beans Serientod – und das ist der dritte große Vorteil seines Ablebens – war in „Game Of Thrones“ der Job als größter Star der Serie zu vergeben. Dinklage schlug zu, was sich bereits in der allerersten Szene der zweiten Staffel ankündigt. Der junge König Joffrey Baratheon (in Wahrheit das Produkt der inzestuösen Beziehung von Königin Cersei Lannister mit ihrem Zwillingsbruder Ser Jaime Lannister) lässt gerade zur Feier seines Namenstages einen betrunkenen Trottel zu Tode foltern, bis Dinklage als sein neu ernannter Berater und „Hand des Königs“, bewaffnet mit Zynismus und messerscharfen Dialogzeilen aus dem Drehbuch, die Szene betritt und dem adeligen Bengel klarmacht, dass sich der körperlich kleinste Mann der Stadt nicht den Regeln eines irren Teenagers unterwerfen wird.

Ein Kleinwüchsiger als Dreh- und Angelpunkt

Der Zwerg Tyrion bekommt in der zweiten Staffel besonders viel Liebe seitens der Produzenten, durchlebt die größte Entwicklung, wird vom Nebendarsteller für eine Weile zum Dreh- und Angelpunkt. Selbst ohne intakten moralischen Kompass stellt er sich zur Befriedigung der Zuschauer gegen die verhasste Cersei und den eben noch mehr verhassten Königsbengel. Mehr noch: In der vorletzten Episode der Staffel stellt sich der saufende Stratege schließlich irgendwann in die erste Reihe einer Schlacht, die gegen den Thronanwärter Stannis geschlagen werden muss, was zwar dann doch einige Heldenklischees bedient, aber „Game Of Thrones“-typisch nicht einmal vorübergehend ein Happy End für den zu dieser Zeit beliebtesten Charakter der Serie bedeutet.

In der neunten Episode führen die Machtansprüche des verblendeten Stannis Baratheon erstmals zu einem Desaster. Zu einem mit besonders hübschen Spezialeffekten und spannender Dramaturgie umgesetzten, wohlgemerkt. Die Schlacht in der Bucht von King’s Landing bleibt für vier Jahre die opulenteste Action-Sequenz der Serie, in der dem Blutbad vor den Toren der Hauptstadt die unerträgliche Ruhe von Cersei Lannister entgegengesetzt wird, die Wein trinkend mit verängstigten Frauen und Mädchen der Stadt in einem abgeriegelten Raum auf den Tod wartet – und auch in dieser Situation noch unschuldige Gemüter tyrannisiert.

Staffel zwei mag nicht die beste der Serie sein, hat mit „Blackwater“ aber eine der aufregendsten Episoden überhaupt zu bieten. Was kein Zufall ist – immerhin hat George R.R. Martin das Drehbuch für die Folge, die Zwerg Tyrion endgültig zum Helden macht, persönlich geschrieben.

Wankende Welten: Ein Rückblick auf die 1. Staffel von „Game of Thrones“
HBO