Jule Neigel Band


Das bange Warten, ob die Röhre vom Rhein mit ihrer Band wirklich den Sprung vom überhypten Single-Act Marke „Schatten an der Wand“ hin zur etabliert-akzeptierten Poprock-Combo schaffen kann, hat sich gelohnt. Die aktuellen Singles tauchen zwar eher im Mittags-Radio denn in den Charts auf. das Album WILDE WELT aber und die Jule Neigel Band als eingespielte und mitreißende Live-Band konnten sich durchsetzen. In München allerdings eher qualitativ: Das Häufchen Neigel-Fans, das in der von Konzerten übersättigten Isar-Stadt den Weg zum Ludwigshafener Tanz-Pop gefunden hatte, reichte gerade mal aus, die Theaterfabrik zu einem Drittel zu füllen.

Erstaunlich aber, welche Stimmung auch nur 300 Leute machen können, wenn sie wirklich begeistert sind – von so einem Publikum können etliche wesentlich größere Acts nur träumen. Dabei ist der Trick so einfach: Von der ersten Minute an verschenkt sich Jule mit Haut und Haaren an das gesamte Publikum, wird mit jedem – Mann wie Frau – sofort intim. In Sachen Kontaktfreude läßt Jule sämtliche Konkurrentinnen der Nation spielend hinter sich. Mit streng zurückgebundenen Haaren schwitzt sie sich die Emotionen aus dem Leib, fegt in ihren Puschel-Stiefelchen permanent vom einen Bühnen-Eck ins andere und hält dabei ständig Blick-Kontakt mit ihren Fans.

Gut zwei Stunden Energie aus deutschen Landen, keine Rock ’n‘ Roll-Fetzerei, aber dennoch nie langweilig: Jule kann jetzt live viel unbeschwerter die Register ihrer Ausnahme-Röhre ziehen, weil ihre Hinter-Mannschaft, verstärkt durch Saxofonist und zwei Chor-Frauen, im Gegensatz zur letzten Tournee wesentlich schneller warmgespielt ist. Schon vom zweiten Song an steht die Musik wie aus einem Guß – sogar die zum Teil sehr aufwendigen Arrangements der neuen Songs werden ohne sichtbare Anstrengung umgesetzt. Und doch sorgen auch jetzt wieder gerade die Stücke für besonders vehement goutierte Höhepunkte, bei denen Jule ohne Sound-Wand, nur zu Gitarre und Klavier singt. Sie zeigen, daß Jule und ihre Band länger brennen werden als nur ein kurzes Hit-Feuer lang. PETER WAGNER