Jule Neigel


Es war einer der ersten warmen Tage im April, an denen sich die Straßencafes füllen, Sonnenhungrige die letzten Flecken Grün besetzen und nachts Kneipen und Discos aus allen erdenklichen Nähten platzen. Kurz, eine Witterung, bei der die ganze Stadt unter Hormon-Strom steht und fühlbar erhöhten Puls hat.

Berlin bot genau das richtige Klima für die badische Zigeunerin und ihre Entourage. Dennoch brauchten Jule und Band eine gehörige Anlaufzeit, um ihre Nervosität abzuschütteln. Während die feurige Frontfrau mit ihrer sympathischen Ausstrahlung relativ schnell einen guten Draht zum Publikum entwickelte, benötigte die Gruppe fast die Hälfte der Show, um sich warmzuspielen. Erst bei „C’est ca, ma viel“ ging es zum ersten Mal richtig ab. Ganz in Schwarz tanzte, hüpfte und fegte die charismatische Dame über die Bühne, so daß Zopf und barocke Formen mächtig ins Schwingen kamen. Im Gegensatz zu soviel praller Sinnlichkeit stand die etwas hausbackene musikalische Begleitung, so daß Spritztouren in Richtung Salsa und schräge Jazz-Seitensprünge (bei denen sich besonders Saxophonist Peter Reiter hervortat) eine willkommene Abwechslung waren.

Für weitere Belebung sorgten Chris und Christina, die beiden Back up-Sängerinnen, die, zum Glück ausnahmsweise nicht im Hintergrund plaziert, mit Witz und guter Laune einige Last von Jules Schultern nahmen. Verständlicherweise spielten die Deutschland-Tour-Debütanten zunächst einmal komplett alle Songs ihrer ersten LP, darüberhinaus dann einige Titel, die den Sprung auf Vinyl (noch) nicht geschafft haben. Leider klingen auch die Neigelschen Gesangsarrangements live noch etwas eintönig. Das fällt besonders auf, wenn sie bei der Zugabe „Summertime“, nur von Piano und Sax begleitet, dieses viel zu enge Korsett sprengt. Da röhrt und quietscht sie, präsentiert den vollen Umfang ihrer Stimme.

Am Ende jedoch stand im wohlgefüllten Quartier Latin jede Menge Jubel um Jule. Mit zunehmender Erfahrung und der Courage, ausgetretene Pfade zu verlassen, kann der Erfolgsstern dieser Truppe noch wesentlich heller strahlen. Neigel-Gitarrist und -Lover Andreas Schmid hätte dann alle Aussichten, zum bestgehaßten Mann im hiesigen Raum zu werden.