Asphalt Tänze


Hiphop, Breakdancing, Double Dutch, Smurph, Electric Boogiein den farbigen Gettos von New York jagt eine Tanz-Mode die andere. Zusammen mit Graffiti und Rapmusik bricht sich dort eine Bewegung Bahn, die allein von den Bedürfnissen der Straße bestimmt ist. Dennoch scheint es nicht bei einem lokalen Phänomen zu bleiben: Kino-Knüller wie "Flashdance" schmücken sich mit den artistischen Asphalt-Tänzern - und clevere Musiker wie Malcolm McLaren katapultieren sich mit Songs wie "Double Dutch" in die Hitparaden. McLaren ist sicher: "Diese schwarzen Kids sind so gut, daß sie von Musik bis Film unsere gesamte moderne Kultur beeinflussen werden."

In dem schwarzen und puertorikanischen Getto, das ausschaut wie Dresden nach dem Bombenangriff, steht die Wiege des Hiphop. Niemand weiß genau, wie es eigentlich begann. Mitte der siebziger Jahre stellten die – oft genug kriminellen – Streetgangs plötzlich fest, daß man angestaute Aggressivität nicht nur in Handgreiflichkeiten ablassen konnte. Lieber Block-Parties feiern als sich in Bandenkriegen die Köpfe einschlagen! Statt mit Messern und Revolvern gingen sie nun mit Tänzen und provozierenden Rap-Reimen aufeinander los. Eine geeignete Fläche, ein Getto-Blaster – Ring frei für den Krieg der Tänzer.

Zuerst waren es nur blitzschnelle Schritt-Kombinationen, dann schlugen sie Räder und Flickflacks, schließlich gar Saltos.

Inzwischen werfen sie sich ,

renshorts, Kniestrümpfe und Basketballschuhe, die unter der Zunge mit einem extra Paar Socken ausgestopft sind. Es ist „in“, sie möglichst lose und weit zu schnüren.

Ganz besonders „heiß“ ist auch der Apres-ski-Look. Doch wer glaubt, die B-boys schwärmten von weißen Pisten, kriegt nur den halben Gag mit: Schnee – Kokain – ist der Stoff, aus dem hier die Träume sind. Breaking ist Bandenkrieg mit friedlichen Mitteln. Schiedsrichter sind die Kids auf der Straße, die die Kampfhähne mit Zurufen anfeuern. Sieger ist, wer die meisten und spektakulärsten Bewegungen kombinieren kann. .. ._ „, “ Wir sind stolz, weil man zu uns aulschaut. Wir sind wer in unseren Straßen,“ meint Demo von der Gruppe Dynamics. „Als wir uns noch die Köpfe einschlugen, da waren die Mädchen angewidert.

Und nicht nur die Mädchen werden auf die Hiphopper aufmerksam – auch das Filmgeschäft hat die akrobatischen Boys entdeckt. In Charly Ahearns Kultfilm „Wild Style“ (in der ZDF-Fassung: „Graffiti“) oder in „Flashdance“. Hier gibt die beste New Yorker Break-Gruppe „Rocksteady Crew“ eine atemberaubende Einlage.

Nicht nur die Breaker, auch die Graffiti-Sprayer und Rapper suchen nach Status und Anerkennung. Die Graffiti-Schreiber beweisen ihren Mut, wenn sie nach Mitternacht in den düsteren U-Bahntunneln ihre poppigen Decknamen und Cartoon-Figuren auf die grauen Waggons sprühen – und diese in die größte rollende Galerie der Welt verwandeln. „Wir haben die Leute nicht zu unserer Kunst bringen können, deshalb haben wir die Kunst zu den Bürgern gebracht,“ meint Lady Pink, eine der wenigen Mädchen in der Macho-Welt der Graffiti-Schreiber. „Let’s make America beautiful/“

Mit Hiphop ist auch Graffiti salonfähig geworden. In den Galerien und Modern Art-Museen werden heute die auf Leinwand übertragenen Graffiti ausgestellt und als eine der wichtigsten Strömungen der amerikanischen Kunstszene bewertet. Die Musik der Hiphopper – Rap – hat die Clubs erobert. DJs wie Grandmaster Flash sind die Könige der Slums. Sie verwandeln ihre Plattenteller in Ein-Mann-Orchester und zeigen unglaubliche Virtuosität im Hin- und Herdrehen – spinnen oder scratchen – der einzelnen Scheiben, die sie zum Beat einer Rhythmusmaschine zu einem völlig neuen Musikstück mixen. Die besten DJs haben ihre eigenen „Emcees“ (Master of Ceremony) – die eigentlichen Rapper. Sie müssen mit ihrem flottgereimten, rhythmischen Sprechgesang das Publikum einheizen, die Breaker und Graffiti-Schreiber provozieren. Dafür sorgen, daß der body-rocknever-stop.

Songs mit verzerrten Stimmen haben auch die Tänze beeinflußt. So entstand „Moonwalking“ mit seinen roboterhaften Bewegungen oder der „Electric Boogie“. Weniger spektakulär als das Breaken – eher kunstvoll. Gebündelte Energie, die den Körper durchzuckt. Man stelle sich eine Marionette am Faden vor – oder Marcel Marceau unter Hochspannung zu funky Straßen-Rhythmen. Wie gesagt: Einfallsreichtum ist gefragt. Hiphop macht Spaß!