Klez.e
Desintegration
Staatsakt/Caroline
Der Diskurs-Rock der Berliner gießt den beschissenen Zustand der Welt in schlüssige Klänge.
DESINTEGRATION haben Klez.e ihr neues Album, ihr erstes nach einer achtjährigen Pause, genannt, und Menschen mit Elefantengedächtnis checken: Das ist eine Anspielung auf das The-Cure-Album DISINTEGRATION. Das ist 1989 erschienen und hier wiederum melden sich versierte Historiker: das Jahr des Mauerfalls. Tatsächlich verarbeitet Klez.e-Sänger, -Gitarrist und -Songschreiber Tobias Siebert auf DESINTEGRATION die Erfahrungen, die er als in der DDR Aufgewachsener in den vergangenen Jahren gemacht hat. Und es ist – wenig überraschend – ein sehr düsterer Blick, den Siebert da zurückwirft auf die jüngste Vergangenheit, auf das wiedervereinigte Land und eine zerrissene Welt.
Die Songs hier heißen „Requiem“, „Schwarz“, „November“ und „Nachtfahrt“, sie handeln von Antidepressiva, ausgekotztem Fukushima-Lachs, von der Explosion der Erde und dem Ende der Welt, von Sprachlosigkeit und Verlassensein, von bösen Lobbyisten und privaten Enttäuschungen, vom Drohnenkrieg und Kindern, die in Trümmern spielen. Also Achtung: Konzeptalbum! Dafür hatte der Wahlberliner, ehedem aktiv bei Delbo und als Produzent für Kettcar, Phillip Boa und Me And My Drummer tätig, schon immer eine Schwäche. Erst zuletzt versuchte er mit seinem großartigen Soloprojekt And The Golden Choir im manischen Alleingang möglichst naturgetreu eine ganze Band samt vielköpfigem Chor nachzustellen. Während ATGC sich aber noch romantischer Melancholie hingaben, versinken Klez.e nun in grimmiger Trostlosigkeit.
Der Diskurs-Grunge, für den Klez.e einst standen, ist einer apokalyptischen Rock-Vision gewichen, die der erfahrene Produzent Siebert mit denkbar spartanischen Postpunk- und Wave-Mitteln umsetzt. Seine Gitarre dringt in die tiefsten Mollabgründe vor, Bass und Schlagzeug halten den Herzschlag mit letzter Kraft in Gang. Dass DESINTEGRATION ziemlich deprimierend sein kann, ist klar. Es ist aber auch sehr großartig.