Fehlfarben – Bremen, Aladin


Trotz des großen Erfolgs ihres Debütalbums MONARCHIE UND ALLTAG haftet den Fehlfarben der zweifelhafte Ruf an, wenig berauschende Konzerte zu geben. Zu selten schafften sie es, die Energie und Dichte ihrer Studioproduktionen auf der Bühne angemessen umzusetzen. Eine Tatsache, die ihre Ursache sicher in fehlender Routine, aber ebenso sehr in den dauernden Umbesetzungen hat. Spätestens seit dem Ausstieg Peter Heins, der durch seinen unkonventionellen Gesang einen Großteil der Fehlfarbenidentität ausmachte, erwarteten viele ein frühzeitiges Ende der Gruppe, die schon überregionalen Erfolg hatte, ehe man überhaupt von Ideal und DAF sprach.

Aber „Totgesagte leben bekanntlich länger“ – und so wurde der erste Auftritt mit neuer Besetzung und zum Teil neuem Programm eine angenehme Überraschung. Vor allem die neuen Songs, fast alle von Thomas Schwebel geschrieben und gesungen, unterstrichen das neue Selbstverständnis. Die Stucke aus dem neuen Album 33 TAGE IN KETTEN, die einen Großteil des Programms ausmachten, haben nur noch wenig mit dem kraftvollen Pop-Appeal ihrer Debut-LP gemein. Sie sind allesamt weniger eingängig, eher kompliziert und angreifend und suchen förmlich die Auseinandersetzung.

Thomas Schwebel laßt sich als neuer Kopf der Gruppe nur schwer mit Peter Hein vergleichen, er ist kein „guter Sänger“, vermag aber seinen Songs eine spezielle Note zu geben und diese auch stimmlich zu variieren. Seine Interpretationen sind kopflastiger, aber nicht weniger ergreifend als die seines Vorgängers. Songs wie „Die Wilde 13“ und „Tanz Mit Dem Herzen“ erreichten zumindest an diesem Abend das Prädikat kleiner Meisterwerke.

Schwerer verständlich und akzeptabel war dagegen die Präsentation des alten Fehlfarben-Repertoires. „Militürk“, „Es Geht Voran“ und „Paul Ist Tot“ sind allesamt Songs, die zu stark mit Peter Hein – oder besser: mit seinen Qualitäten als Sänger und Performer verbunden sind, als daß man die Interpretation Thomas Schwebeis, die sich weit von den Originalen entfernt, sofort akzeptiert. Mir kamen sie hier zumindest belanglos, weit weniger dynamisch und aussagestark vor.

Die Erweiterung des Fehlfarben-Nucleus (Schwebel, Bauer, Jahnke) um Ralf Albertini (Sax) Olivia Casali (SynthBass) und Rüdiger Sterz (Bass) erwies sich schon bei diesem Debut-Gig als äußerst wirkungsvoll. Man war durch das erweiterte Instrumentarium eher in der Lage, die Studioproduktionen live umzusetzen. Die früher oft chaotische Improvisationsfreiheit wich einem gut durchorganisierten, musikalisch differenzierteren Konzept.

Die Fehlfarben heute, ein Jahr nach Veröffentlichung ihrer überall gelobten Debüt-LP, sind auf dem richtigen Weg. Am Ende ihrer Entwicklungsmöglichkeiten aber sind sie noch lange nicht. In der Form, in der sie sich in Bremen vorstellten, könnten sie zu einer Bereicherung der neuen deutschen Szene werden – vorausgesetzt, sie bestätigen sich als neue Band mit neuen Zielen. Das Bremer Publikum akzeptierte die Fehlfarben, erklatschte fünf Zugaben und erlebte ein gutes Konzert.