„„Excalibur“ und seine Folgen


Die Legende um das geheimnisvolle Schwert "Excalibur" und den Ritter Artus lieferte Regisseur John Boorman die Inspiration für "einen Trip durch die Schrecken und Wunder unserer Phantasie". Doch "Excalibur" ist nur der Auftakt für eine Reihe neuverfilmter Fantasy-und Mythenstoffe.

Unverrückbar steckt das Schwert „Excalibur“ seit 18 Jahren in einem Felsen. Wer es lösen kann, soll König werden.

Einem jungen Knappen, der zufällig an einem Turnier teilnimmt, wird unerwartet diese Ehre zuteil. Artus ist der Sohn der Herzogin von Cornwall, in einer wilden Liebesnacht mit dem Erzfeind des Herzogs, Uther Pendragon, gezeugt und von dem Zauberer Merlin großgezogen. Artus wird tatsächlich König, kann die Ritter des Landes unterwerfen, das Reich befrieden, die Burg Camelot bauen und mit Weisheit an der Tafelrunde präsidieren.

So beginnt John Boormans „sagenhafter“ Film „Excalibur“,der mit Hollywoods simplen Ritterfilm-Schinken ä la „Prinz Eisenherz“ oder die „Ritter der Tafelrunde“ nur noch wenige Gemeinsamkeiten hat. Klar, Boormans überschäumende Phantasie-Blüte entstand in den wildesten Ecken der Eichenwälder Irlands und an den stürmischen Felsküsten der Irischen See. Die Artus-Burg Camelot wurde fotogen und realitätsentrückt im Studio errichtet. Die Kostümbildner ließen sich von den Motiven und Farben des expressionistischen Malers Gustav Klimt inspirieren, die Ausstatter sparten nicht mit künstlichem Nebel und die Kameraleute probten aus, was sie an unrealistischen Lichtquellen und Farbfiltern auftreiben konnten. Offensichtlich ging es Regisseur Boorman nicht um die historische Rekonstruktion, sondern und „einen Trip durch die Schrecken und Wunder unserer Phantasie“.

Denn „Excalibur“ spielt zu einer Zeit, als Menschen mit ihrem Gewissen noch im Wortsinn kämpften, Zauberer geheimnisvolle Lebenselixiere brauten, „Sehnsüchte und Haß noch nicht reglementiert waren in den beengten Emotions-Freiräumen moderner Massengesellschaften“, wie es im vorformulierten Pressetext zu diesem Film heißt.

Regisseur Boorman (der übrigens schon seinen Thriller „Beim Sterben ist jeder der Erste“ als ein „Artus’sches Grundthema – die verlorene Einheit des Menschen mit der Natur“ interpretiert) erzählt die Ritter-Legende aus dem Blickwinkel des mittelalterlichen Alchimisten Merlin. Animiert vom „Star-Wars‘-Erfolg (Ihr braucht statt Obi-Wan nur Merlin zu denken und Luke Skywalker als den jungen Artus und Han Solo als Lanzelot, dann wißt ihr, woher George Lucas seine Inspiration bezog“) verkauft uns Boorman die Renaissance der Gralstugenden und die Mensch-Natur-Einheit als das große Thema dieser Saison.

Tatsächlich kommt „Excalibur“ nicht etwa einsam daher, sondern flankiert von einer langen Reihe von Fantasy-, Märchen- und Mythenstoffen, in deren Mittelpunkt – nach dem Abgesang derSF-Epen – diesmal die vergangenheitsorientierte Welt der Ritter, Burgfräuleins und goldenen Vliese steht.

Den Anfang machte Ralph Bakshis (unter Kennern allerdings verpönter) Tolkien-Trickfilm „Der Herr der Ringe“. In den kommenden Monaten werden – nach „Excalibur“ – die englischsprachingen Sword-&-Sorcery-Epen „Conan“ mit dem Bodybuilder Arnold Schwarzenegger (,Conanist ein bodenständiger Charakter. Er denkt nie nach, sondern handelt einfach, und so ähnlich bin ich auch‘) und der „Drachentöter“ mit dem britischen Theater-Star Sir Ralph Richardson als Ober-Zauberer Ulrich angekündigt. Auch das erste deutsche Fantasy-Drama (bislang noch ohne Titel) das der Jungfilm-Regisseur Veith von Fürstenberg nach der Legende von Tristan und Isolde in Bayern drehte, soll spätestens im Februar in die Kinos kommen. Für 1983 bereitet schließlich der „Warriors“-Regisseur Walter Hill seine Kreuzritter-Geschichte „Das Schwert“ vor, und auch der Tolkien-Verzeichner Ralph Bakshi hat sich (in Kooperation mit Frank Franzetta) eines weiteren Legenden-Stoffes angenommen: „Feuer und Eis“, eine apokalyptische Geschichte vom Zusammenprall zweier Naturgewalten, von Zauberern, dunklen Prophezeiungen und natürlich – dem Sieg der Liebe.

Ob diese schnell produzierten Serienfilme die phantastische Qualität von „Excalibur“ halten werden, soll sich erst noch herausstellen. Der Qualitäts-Maßstab von Fantasy-Stoffen ist jedenfalls trotz der Naivität ihrer Geschichten nicht ohne Anspruch: Sie sollen nicht nur die Phantasie der Macher, sondern vor allem die der Kinoqänger freisetzen.

Logisch, daß soviel Interesse an der lustvollen Aufarbeitung der fernen Vergangenheit nicht allein auf’s Kino beschränkt bleibt: In Buchhandlungen und Plattenläden stapeln sich die gedruckten oder in Rillen gepreßten Ableger des Kino-Booms. Und sogar renommierte Theaterbühnen machen mit scheppernden Rüstungen, Hexengebräu und Nebelschwaden von sich reden: Im Düsseldorfer Schauspielhaus wird die Story von Artus, Ginevra und Lanzelot in einem sieben Stunden langen Zweiakter gespielt; am Broadway in einer Musical-Fassung aufgeführt.

Bleibt die Frage, warum gerade hier und heute die Ritter- und Fantasy-Filme ihre Renaissance erleben. Rolf Giesen, der Autor einer Dissertation über den phantastischen Film, schreibt den Boom einer seit „Star Wars“ zu beobachtenden Fluchttendenz zu: „Amerika war nach Vietnam, Watergate und mannigfachen wirtschaftlichen Problemen desillusioniert, es stand da ohne Helden und mit Ungewisser Zukunft. Je größer und unlösbarer gesellschaftliche und persönliche Probleme werden, desto eher ist der einzelne bereit, sich wie ein Kind in einem regressiv-märchenhaften Traum zu flüchten.“ Und der stets allwissende „Spiegel“ sekundierte, daß im Fantasy-Genre „individuelles Heldentum und romantischer Irrationalismus noch guten Gewissens florieren, weil eine Welt, in der man den Bösewicht an seinem Visier oder seiner Visage erkennt, eine heile Welt ist“. Und schließlich braucht man nur an die New-Romantic-Welle zu denken, die sich in der englischen Rock/Popmusik ausbreitete – flankiert von einer wahren Kostüm-Orgie der Fans.

Die Sage vom Schwert „Excalibur“ endet tragisch, jedoch nicht ohne Zukunftshoffnung: der ahnungslose König nährt in der Gestalt des blendenden Ritters Lanzelot, der Artus Gattin begehrt, und der rachsüchtigen Halbschwester Morgana, die sich dem Bruder in einem Akt der Unzucht nähert und das in dieser Nacht gezeugte Kind zum Mörder am Vater erzieht – das Unheil am eigenen Tisch. Der Zweikampf zwischen Vater und Sohn endet für beide Kämpfer tödlich; das Schwert versinkt im Meer. Doch irgendwann in der Zukunft, wenn wieder ein würdiger Herrscher auf Erden weilt – so die Legende – wird Excalibur erneut an die Oberfläche kommen.

Diese Prophezeiung hat der Sieg des Christentums über die heidnische Mythen weit bislang allerdings vereitelt.