Ritchie Blackmore’s Rainbow


"In diesem Raum ist niemand von Wichtigkeit, und selbst wenn es so wäre, er würde sich von jemandem wie Dir nicht stören lassen. Nimm Dich vor dieser Warnung in acht und bitteschön - Hau ab. Denke nicht, damit sei jeder außer Dir gemeint. Also steck Dir Deinen Backstage-Ausweis in den Arsch und verpiß Dich nach draußen, wo Du hingehörst. Vorwärts. Und zwar sofort!"

Das Schild hängt an einer verschlossenen Garderobentür im Münchner Circus Krone. Dahinter, in dem abgedunkelten Raum, sitzt Richie Blackmore bei einer Flasche Whisky und nimmt seine Gitarre. Er will niemanden zu sich hereinlassen, auch nicht David Coverdale, der nebenan bei Rainbow-Sänger Ronnie Dio und Tony Carey (Piano, Orgel, Synthesizer) und Jimmy Bain (Baß) zusammensitzt und natürlich auch seinen alten Purple-Kollegen gerne begrüßt hätte.

Nach einer ganzen Menge Whisky ringt sich Ritchie dann aber doch dazu durch, die Tür £u seinem Allerheiligsten zu öffnen – auch für den M.E. Drinnen herrscht eine gespentische Ruhe, und der schwarzgekleidete Herr von Blackmore mit der weißen Gitarre in der Hand unterhält sich im schwachen Schimmer einer Kerze beinahe flüsternd mit uns. während sein Chefroadie lau auf Zehenspitzen im Dunkeln um ihn herumtappt. „Jetzt kann ich machen, was ich will“, erklärt Ritchie, „ich habe mit Deep Purple Geld genug verdient. Bei Konzerten mit Rainbow benutze ich nun die Gelegenheit, es den Leuten irgendwie zurückzugeben. Ich möchte mich für die Zuneigung bedanken, die sie mir bei Deep Purple entgegen gebracht haben.“

Viel Pisse im Spülstein

Es sind nur noch fünt Minuten bis zu Ritchies Auftritt, aber er erzählt ruhig weiter: „Natürlich hat sich mein Stil nach all den Jahren nicht plötzlich vollkommen gewandelt ich spiele mit Rainbow immer noch sehr aggressiven Hardrock. Aber aufmerksame Zuhörer werden darin auch gewisse Einflüsse aus der Barockmusik erkennen. Als großer Verehrer von Johann Sebastian Bach möchte ich keine seiner großartigen – Kompositionen kopieren, ich versuche vielmehr seine Art zu fühlen in Rockform zum Ausdruck zu bringen.“ Ritchie pinkelt ins Waschbecken. In drei Minuten muß er auf die Bühne. „Rainbow hat das Feuer von Deep Purple, aber gleichzeitig möchten wir mit der Musik noch viel mehr Farbe geben. Es ist mehr als Deep Purple, also nicht nur purpur, sondern das ganze Farbspektrum – eben wie ein Rainbow. Deshalb ist der große Regenbogen, den wir überall aufbauen lassen, auch ein wichtiger Bestandteil unserer Show…“

Der Regenbogen geht auf

Draußen im Saal gehen inzwischen die Lichter aus. Die Menge tobt als das Frabspektrum aufgeht. Vor der Kulisse eines mittelalterlichen Schlosses legen Ritchie Blackmore und seine Jungs Ronnie Dio, Cozy Powell, Tony Carey und Jimmy Brain sofort los. Cozy’s Hammer-Drumming, Jimmy’s Baß und Tony’s Tastenspiel sind das solide und manchmal etwas unauffällige Fundament, auf dem Ritchie seine Gitarren-Kaskaden auftürmt.

„Give nie a red, give me a yellow!“ kommandiert Ronnie mit seiner Röhre – und der Regenbogen wechselt seine Farbe, „…and now give me a Blue!“ Rainbow spielt Blues.

„Mistreatet“ ist der einzige Titel, den Ritchie von Deep Purple übernommen hat. Zusammen mit Ronnie entwickelt er daraus ein „Gespräch“ zwischen H-Gitarre und Gesangsstimmme. Ritchie schlägt die Töne an, und Ronnie antwortet mit langgezogenen Kehllauten. Immer verrückter werden Ritchie’s Angaben – aber noch nicht verrückt genug für Ronnie’s vokalakrobatischen Fähigkeiten. Und er zeigt gerne, was er kann. Bei diesem „Duett“ taut sogar Ritchie auf, der sonst nur finster dreinschaut oder mit geschlossenen Augen und entrücktem Gesichtsausdruck seine Gitarre behandelt.

Ritchie, der gern den „Düsteren“ raushängen läßt, ließ zur Illustration seiner Vorliebe für schwarze Magie schließlich noch eine schwarz-verhüllte Gestalt über die Bühne huschen. Dieses Wesen mit dämonischer Maske und schlohweißem Haar verkroch sich dann – wie schaurig! – hinter eine (natürlich mit schwarzem Samt überzogene) Lautsprecherbox.

Der klassische Blackmore

Ritchie liebt Überraschungen. Und so verblüffte er das Publikum mit einer kontrastreichen Show zwischen höllisch lautem Heavy-Rock (Jubel bei den Zuschauern!) und sensiblen Gitarren-Soll. Zwischendurch zitierte er seine klassischen Vorbilder mit Passagen wie dem C-Dur Preludium von Joahnn Sebastian Bach. (Beim Hamburger Konzert gab es dafür allerdings ironische Zwischenrufe: Die Fans johlten erst wieder los, wenn ein neuer Rock-Orkan losbrach).

… und am Ende des Konzertes gab Ritchie wieder seine ganz persönliche Zugabe. Er warf die Gitarre in die Luft und trampelt darauf rum. Tony’s Orgeltasten, Jimmy’s Baß und Cozy’s Drums mußten nun den heulenden Background liefern, vor dem Ritchie wirkungsvoll dem heulenden Gitarren-Torso den Rest gibt und die Trümmer in die Menge schleudert … wie gehabt!