John Lennon

John Lennon, der Exzentriker der großen Vier aus Liverpool, der Mann, der lange Zeit kein Wort ĂŒber die Beatles verlieren mochte, gesteht heute: "Ich bin ein Beatles-Fan". In New York war er zu einem Interview ĂŒber die Beatles, seine Musik, sein Leben in den Staaten, seine Aufenthaltsgenehmigung, ĂŒber Kritiken und einem eventuellen Neubeginn der Beatles bereit.


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John Lennon sitzt in seinem Appartement in New York, in der NĂ€he des Central Parks. Er gesteht ehrlich: „Ich vermisse England sehr, aber ich versuche, nicht zu oft an zu Hause zu denken, weil ich dann wirklich Heimweh bekĂ€me. Briten, die hier zu Besuch sind, erzĂ€hlen mir vom United Kingdom. Dann ist es besonders schlimm. Selbst wenn ich in einem Film etwas ĂŒber England sehe, schmerzt es. Ich verdrĂ€nge das Heimweh sofort, weil ich sonst meinen Kampf um meine Aufenthaltsgenehmigung aufgeben wĂŒrde.

Lennon kĂ€mpft in den Vereinigten Staaten um die grĂŒne Karte. Mit dieser Karte kann er sich jederzeit in den Staaten aufhalten. Dazu mĂŒĂŸte Queen Elisabeth II. allerdings das gegen Lennon ergangene Urteil wegen eines Rauschgiftdeliktes annullieren oder John Lennon begnadigen. Als Vorbestrafter darf er nicht in die Staaten einreisen. Das Urteil gegen ihn wurde verkĂŒndet, als er sich bereits in Amerika befand. WĂŒrde er ausreisen, könnte er solange nicht wieder einreisen, bis dieses Urteil revidiert ist. Lennon: „Ich möchte in Amerika bleiben, weil ich hier wirklich gern lebe. Ich möchte die Erlaubnis hierzubleiben, hier zu leben, wie in England oder Frankreich. Ich muß das GefĂŒhl haben, in jedes Land gehen zu können. WĂŒrde ich Amerika jetzt verlassen, hĂ€tte ich enorme Schwierigkeiten zurĂŒckzukommen.

John hĂ€lt einen RĂŒckblick. Er erinnert sich, wie seine Probleme begannen: „1971 oder ’72 wurde im Rolling Stone‘ oder einer Ă€hnlichen Zeitschrift angekĂŒndigt, ich kĂ€me zur großen Beatles-Convention. Es stand auch etwas darin von der Aufenthaltsgenehmigung. Die Behörden dachten, es sei ein Großangriff auf Chicago wie in den 20er Jahren geplant. Da ging es erst richtig los. Irgend jemand wurde nervös, und ich bekam den Ärger. Sie hatten ein Spiel begonnen, und es war geradezu unmöglich fĂŒr sie, damit aufzuhören. Ein TelefongesprĂ€ch könnte dieses verdammte GeschĂ€ft beenden, aber soweit sind sie noch nicht. Vielleicht sind sie zu beschĂ€ftigt?

Bei der Frage, wie Johns Chancen, in den Staaten zu bleiben, seiner Meinung nach wĂ€ren, schmunzelt er: „Ich bin da sehr optimistisch. Ich kann laufend Revision einlegen.Es kostet mich zwar am Ende mein Geld, aber ich glaube, es ist wertvoll fĂŒr mich, diesen Kampf durchzustehen. Die Chancen stehen 99: 1. Sollte ich gewinnen, werde ich Amerika fluchtartig verlassen und meine Familie in England besuchen.“

Seitdem die Beatles 1970 aufhörten zu existieren, sind rund fĂŒnf Jahre vergangen. Lange Zeit war keiner der Ex-Beatles bereit, ĂŒber die Gruppe zu reden. Heute ist das anders. Lennon: „Als wir uns trennten, waren alle sehr nervös. Jeder hatte Angst davor, urplötzlich allein zu arbeiten. Das ist vorbei. Schaue ich heute zurĂŒck, dann muß ich sagen, wir hatten ganz schön zittrige Knie, nachdem wir so lange zusammen waren. Wir kamen uns vor wie ein Ehepaar, das die Scheidung einreicht.“

John erinnert sich heute eher an die guten, als an die schlechten Beatleszeiten: „Ich schaue zurĂŒck und freue mich. Als ich Paul vor ein paar Wochen in New York traf, haben wir sehr viel ĂŒber die AnfĂ€nge geplaudert. NĂ€chtelang schwelgten wir in Erinnerungen an Hamburg und Liverpool. Ich besitze sogar Beatlesandenken, die ich nach der Beatles-Convention in New York aufgehoben habe. Ich sammele Beatles-Poster, -Taschen und -Stiefel. Ich bin ein Beatles-Fan.“

„Weißt Du, mit den Beatles-Andenken verdienen einige Leute Millionen. Wir Vier kriegen keinen Pfennig davon zu sehen. Daran war Brian Epstein schuld. Er hat VertrĂ€ge abgeschlossen, von denen wir nichts wußten, Daß wir kein Geld dafĂŒr bekommen, lĂ€ĂŸt mich kalt. Aber ich Ă€rgere mich, weil ich keine Beatles-Lunchbox besitze.“ – DafĂŒr hat John Lennon sĂ€mtliche Beatlesplatten in seinem Schrank, und er hört sie gern: „Ich höre noch sehr oft die alten Scheiben. Außerdem werden sie andauernd im Radio gedudelt. Ich habe da so meine Favoriten, aber es sind zu viele, um einen speziellen herauszupicken.“

Wie oft wurden John, Paul, George und Ringo schon gefragt, ob sie je wieder zusammen auftreten wĂŒrden? Spekulationen darĂŒber gab es genug. Die einzigen, die Auskunft geben können, sind die vier Liverpooler selbst. John Lennon: „Man weiß das nie. Aber in einem bin ich mir sicher: Falls wir je wieder etwas gemeinsam machen, wird es 1976 sein, wenn unsere VertrĂ€ge auslaufen. Ringo hat ‚mal gesagt: „Wenn du ’nein‘ sagst, ist es negativ. Sagst du ‚vielleicht‘, dann ist es positiv. Wir reden eigentlich nicht darĂŒber, aber eines steht fest: Wenn wir uns treffen, sind wir glĂŒcklich. Heute hĂ€tten wir es sowieso schwer, etwas gemeinsam zu tun. Niemand wĂ€re zufrieden. Es wĂ€re niemals gut genug. Heute leben wir in einer guten Erinnerung. Jeder hat seinen eigenen Traum, wie wunderschön es war. Stell‘ Dir vor, wir wĂŒrden neu anfangen und die Leute sagten: ‚Nicht so gut, wie sie mal waren!?'“

„Walls And Bridges“ ist ein Album, das in verschiedenen Kritiken nicht sonderlich gut weggekommen ist. Negative Stimmen wurden laut, die gerade diese LP fĂŒr zu kommerziell hielten. Englische Zeitschriften ließen wenig gute Haare daran: „Die englischen Kritiker waren hĂ€rter als die amerikanischen. Aber das ist ein britisches Privileg, weil es sozusagen in der Familie bleibt. Einiges war allerdings unberechtigt. Ich habe nichts gegen Kritiker, wenn sie sich mit der Musik befassen und Ahnung davon haben. Ich verstehe nicht, warum man sich so sehr mit meinem Lebensstil beschĂ€ftigt und nicht mehr mit meiner Musik. So schlecht war doch ‚Walls And Bridges‘ gar nicht! Ich erinnere mich noch an einige Artikel, die sich mehr mit Yoko als mit ‚Mind Games‘ beschĂ€ftigen. Aber das ist das Problem der Schreiber. Es sind meist Leute, die mit sich selbst noch genug zu tun haben, gerade 22 Jahre alt sind, und deren Hauptprobleme ihre Akne ist.

John Lennon arbeitet, was seine Texte betrifft, ungewöhnlich. Er weiß zum Beispiel nicht, wie er sich ausdrĂŒcken will, bis er irgend etwas dahersagt und sich spĂ€ter wieder daran erinnert. Er ist an Politik interessiert aber: „Ich muß dabei den poetischen Weg gehen.“ Die Idee fĂŒr den Titel ‚Walls And Bridges‘ kam ihm bei einer Veranstaltung: „Ich glaube, es war hier in New York. Ich hörte irgend jemanden wĂ€hrend einer Aktion zur Hilfe fĂŒr Bangla Desh in irgendeinem Zusammenhang ‚Walls And Bridges‘ sagen. FĂŒr mich hatte es etwas mit Kommunikation zu tun. Vielleicht halten dich die ‚WĂ€nde‘ drinnen, oder sie trennen Menschen voneinander. BrĂŒcken fĂŒhren sie wieder zusammen. Genau das möchte ich auch. Bei ‚Walls And Bridges‘ habe ich mit sehr guten Musikern gearbeitet. Jim Keltner, Jesse Ed Davis, den viele noch von Taj Mahal kennen. Klaus Voormann und vor allen Dingen Elton John und Harry Niellson, die ich als Musiker eines außergewöhnlichen Kalibers bezeichnen möchte.“

„Nobody Loves You“ ist Lennons Lieblingssong auf „Walls And Bridges“. Eigentlich sollte „John Lennon Rock’n’Roll“ anstelle von „Walls And Bridges“ erscheinen. Es gab Verzögerungen, mit denen niemand rechnen konnte: „FĂŒr dieses Album war Phil Spector als Arrangeur vorgesehen. Außerdem sollte er die LP mit mir produzieren. Aber Phil hatte einen Autounfall, der ihn ĂŒber ein halbes Jahr außer Gefecht setzte. Ohne ihn wollte ich nicht beginnen. Also habe ich gewartet und gewartet. Endlich kamen die BĂ€nder mit den Songs drei Tage bevor ich ins Studio ging, um „Walls And Bridges“ aufzunehmen.“

John Lennon ist ein Filmfreak. Filmmusik fesselt ihn am meisten. Manuskripte werden ihm laufend angeboten, darunter sogar eines von Trotzki. John hat Undergroundfilme gemacht, die Zeit und Geld verschlungen haben. Sein grĂ¶ĂŸter Wunsch in der Zelluloidbranche: „Ich möchte Musik fĂŒr Horrorfilme komponieren. Falls noch jemand ein Angebot hat
? Ich habe mal einen duften Song fĂŒr den Lenny Bruce-Film geschrieben. Aber dann hieß es, sie hĂ€tten sich fĂŒr Rock’n Roll-Material aus den 50er Jahren entschieden. Ich hatte keine Gelegenheit, sie von meinem Titel zu ĂŒberzeugen.“

Wenn es um die Musik geht, steht eine Frage immer im Raum: Welchen Weg wird sie gehen? Ist der Rock tot? Wer wird in Zukunft den Ton angeben? Wie lange hĂ€lt sich die Nostalgiewelle? Wohin wird sich John Lennon entwickeln? Lennon: „E$ wĂŒrde keinen besonderen Spaß machen, zu wissen, wohin sich die Musik entwickelt. Das Beste ist, sie zu begleiten. Die Musik findet ihr Level ganz allein. Musik von heute ist genauso gut oder schlecht wie frĂŒher. Jede Generation bildete sich ein, ihre Musik sei besonders wichtig. Ich neige dazu, den Rock der 50er Jahre fĂŒr bedeutender zu halten, als das, was heute gemacht wird. Aber vielleicht habe ich unrecht. Es hat immer eine Menge mit Emotionen zu tun. Musik ist Musik. Sie ist immer gut und schlecht.“

George Harrison tingelte mit schlechtem Erfolg durch 39 StĂ€dte. Trotzdem hob es den Plattenumsatz. Paul tritt zeitweilig mit den Wings auf, Ringo gibt vereinzelt Konzerte, und John trat gemeinsam mit Elton John erst kĂŒrzlich wieder ins Rampenlicht. Die Frage nach einer Tournee lag auf der Hand. Nachdem John ein paar Takte von „Hare Krishna“ gesummt hatte, meinte er: „Eine Tournee erfĂŒllt mich mit Schrecken, wenn ich nur daran denke. FĂŒr George mag das okay sein, aber fĂŒr mich bedeutet das eine Menge Arbeit, und es hieße auch, eine neue Gruppe auf die Beine zu stellen. Die Auftritte vermisse ich schon, allerdings nicht genug, um eine 40-StĂ€dte-Tournee durch Amerika oder eine 30-StĂ€dte-Tournee durch England zu absolvieren. Mich interessieren Fernsehshows, leider ist da der Sound zu primitiv. Am liebsten ziehe ich mich in ein Studio zurĂŒck!

Wenn John Lennon eine Botschaft fĂŒr seine Freunde auf dem europĂ€ischen Festland und im United Kingdom hat, dann steckt sie in seiner Musik: „FĂŒr mich ist es leichter, sie musikalisch auszudrĂŒcken. Ich vermisse eine Menge Leute in England und auf dem Kontinent. Ich möchte wieder durch Europa reisen und alle besuchen. Ihnen allen schicke ich ein „Hallo“ und seid nicht zu niedergeschlagen. Ich bin sicher, wir sehen uns wieder.“