Wunderkind Terry Reid
„Ob Terry Reid es doch noch mal irgendwann schafft?“ , fragte neulich jemand. Mir unverstandlich. Ich bin der Meinung, er hat es längst geschafft. „Nun ja…“, kommt noch ein Einwand, „er hatte noch nie einen Hit.“ Seltsam eigentlich, dass es immer noch Leute gibt, die meinen, die Grosse eines Interpreten hänge von der Anzahl seiner Hitplatten ab. Wie kommt es denn, dass so viele wirklich hervorragende Gruppen, zum Beispiel John Mayall, Pink Floyd, Taste, um nur mal einige zu nennen, so selten in den Charts anzutreffen sind? Ihr Sound ist beinahe zu perfekt, zu anspruchsvoll für die breite Masse. Ähnlich geht es mit Terry Reid. Dabei ist er mit seinen 20 Jahren bereits so weit, dass er unter Eingeweihten heute schon als todsicherer Tip gilt. Und nicht zu Unrecht hielten es die Veranstalter für angemessen, ihn während seiner Amerika-Tournee 25 000 Mark pro Abend verdienen zu lassen. Was ist das nun eigentlich für ein Typ, dieser Terry Reid? Er war 17, als sein erstes Album herausgegeben wurde, „Bang Bang“, dem als zweites „Superlungs“ folgte und man kann ihn gut und gern als Wunderkind bezeichnen. Nur wenige wissen, dass er es war, der den Arrival-Hit „Friends“ schrieb, dass er Gitarre spielt und singt, dass er unglaublich erfolgreich in Amerika ist, dass er von Kennern der music scene angebetet wird, derzeit mit einer Gruppe spielt und ständig am Üben ist in seinem Landhaus in Huntingsdonshire. Reid ist, soviel steht fest, ein hervorragender Musiker und nicht nur das, er zeichnet sich auch durch seine nette, bescheidene Persönlichkeit aus. Und während die Tatsache, dass er sich in sein Landhaus zurückgezogen hat, bei jemand anderem als Publicity gag ausgelegt werden könnte, ist das bei Terry ganz bestimmt nicht der Fall. Er ist auf dem Lande geboren und aufgewachsen und sein Vater ist ein Geschäftsmann im Agrarkulturwesen. Sehr musikalisch (und mit dem Sprichwort „Gut Ding hat Weile“ vor Augen) ist er in England noch immer auf der Jagd nach dem ganz grossen kommerziellen Erfolg. Er weiss aber auch, dass ihm der nicht über Nacht zugeflogen kommt. „Ich sehe mehr in einem dauernden Erfolg, und den muss man sich erkämpfen. Langsam aber sicher“, meint er ganz richtig, „Es kommt darauf an, zu erkennen, was die Leute hören wollen,“ sagt er mit grossen, glänzenden Augen, „wir können die Fans nicht mehr mit einer grossangelegten Publicity hinter’s Licht führen. Sie wissen heute zu genau, was gute Musik ist“.
Mit seiner neuen Formation, die aus Bruce Roweland (ex-Joe Cocker Grease Band), Dave Lindley (ex-Kaleidoscope) und Chris Steward (ex-Eire Aparat) besteht, gab Terry kürzlich sein Debüt im Londoner Revolution Club. Mick Jagger, Eric Clapton und Dave Mason, die sichtlich begeistert im Publikum sassen, äusserten sich ausgesprochen enthusiastisch. „Terry ist soweit. Die Leute müssen jetzt einfach einsehen, dass er einer der ganz Grossen unserer Scene ist. Das lässt sich jetzt gar nicht mehr vermeiden“, meinte Mick. Boutique-Besitzer Ossie Clark, der den Stones-Boss an diesem Abend begleitet hatte, sagte: „Ich kam her und erwartete, den üblichen Mist zu hören zu bekommen. Nach dem dritten Titel war mir jedoch klar, warum Mick immer so von Terry geschwärmt hatte. Sein Sound ist unglaublich vielseitig“. Womit Ossie sozusagen oder auch den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Vielseitigkeit ist das Markenzeichen für Terry’s Musik. Verehrt auch von Crosby, Stills & Nash, die ihm eine enorme Zukunft prophezeien, wird er eines Tages der Grösste, Grösste, Allergrösste sein. Es sieht so aus, als ob das alles nur eine Frage des Wartens ist,… des Wartens auf Terry Reid …