Dillon
Live at Haus der Berliner Festspiele
Bpitch Control/Rough Trade
Fragil und abgründig: Dillon bringt ihre elektronisch unterfütterten Klavierlieder mit Frauenchor auf die Bühne.
Abgründe gibt es in der Selbsterkundungs-Musik der Dominique Dillon de Byington allerorts: In den Texten heißen die dann „das Unbekannte“ oder „die Stille”, in der Welt der Sounds sind es die kargen Abstraktionen, die wabernden Bässe oder das metallische Klopfen, das den Klavier-Kunstliedern als Grundgerüst untergeschoben ist und auf schaurig-schöne Weise von der Abwesenheit alles Menschlichen erzählt. Dass die Rettung vor der Abstraktion Dillons eigenartige Stimme ist, lässt sich nun auf diesem Live-Album noch besser nachhören.
Diesmal muss man sogar von Stimmen sprechen: Für ein Konzert 2015 beim Berliner Performance-Festival „Foreign Affairs“ holte sich Dillon einen Frauenchor auf die Bühne. Erst nach und nach entfaltet dieser Auftritt, dem wir 13 Stücke lang folgen, seine Wirkung – ganz so als würden sich die Songs erst gegenseitig betasten, langsam durchschauen und ineinandergreifen. Den Unterschieden ihrer bisherigen Alben zum Trotz – alles Dekorative und Spielerische, das auf noch durch das Debüt THIS SILENCE KILLS (2011) wehte, wich auf dem Zweitling THE UNKNOWN (2014) statischen Klangflächen – hat Dillon für die Songs einen gemeinsamen Sound gefunden, der sich am zweiten Album orientiert, ohne die Stücke des ersten zu verfremden: Trocken und elegisch ist das Klavierspiel, minimalistisch das elektronische Flirren, die Bässe sägen, im Hintergrund stöhnt der Chor. Und mitten hindurch führt Dillon mit dieser seltsam berührenden, quengelnden und lautmalerischen Stimme – rau und rund und brüchig zugleich. Man beschreitet die Abgründe gerne mit ihr.