Böser Bulle


Kein Film ist so hart wie das Leben. "Bad Lieutenant" beweist das Gegenteil. Fernab von Kintopp und Hollywood mimt Harvey Keitel einen Polizisten, der das Fürchten lehrt.

Der Mann, dessen Name der Zuschauer nie erfährt, ist Lieutenant bei der New Yorker Polizei. Ein Dienstgrad, für den man sich hochgerackert haben muß. Doch das ist vorbei, es spielt keine Rolle mehr.Denn der Lieutenant schert sich längst nicht mehr um Verbrechensbekämpfung. Er hat eine wichtigere Mission entdeckt, die ihn über die Grenzen des Erträglichen hinausführt: den Bruch mit jeglicher gesellschaftlichen und moralischen Konvention. Willkommen in seiner ganz persönlichen Hölle.

Es gibt in diesem Film kaum eine Einstellung, in der der Lieutenant (Harvey Keitel) mal gerade nicht illegal handelt. Er lügt, zockt, stiehlt, manipuliert und nötigt. Er säuft, kokst, raucht Crack und spritzt sich Heroin. Wie er auf diesen Horrortrip gekommen ist? Wie er diese Existenz als tikkende Zeitbombe vor seiner Bilderbuch-Familie oder seinen Vorgesetzten rechtfertigt? Was er in wachen Momenten denkt? All diese Fragen versucht „Bad Lieutenant“ erst gar nicht zu beantworten. Wie sein Held bricht auch der Film mit jeglicher Konvention. Das geht so weit, daß Regisseur Abel Ferrara („King of New York“) sogar fast auf das verzichtet, was man eine nacherzählbare Geschichte nennen würde. Zwar läßt er dem Lieutenant hin und wieder mit einer Nonne zusammentreffen, die ihm Erlösung bringen könnte. Aber dieser rote Faden ist eher diffus, von erzkatholischen Motiven geprägt und nur beim Finale wirklich interessant. Nein, „Bad Lieutenant“ präsentiert keine Kintopp-Dramaturgie, sondern gibt mit beinahe dokumentarischen Mitteln einen verstörenden Eindruck von menschlicher Sucht wieder, Sucht nach Drogen, Sucht nach Sünden, Sucht nach Abgründen. Das Resultat ist ein verzerrtes, halluzinatorisches Spiegelbild der dunklen Seiten unserer Welt. Willkommen in unserer ganz persönlichen Hölle, die sich Realität nennt. „Bad Lieutenant“ ist harter, sperriger Stoff, der es selbst in Off-Kinos schwerhaben, und todsicher bei vielen Leuten auf Ablehnung stoßen wird. Kalt wird der Film aber niemanden lassen. Vor allem auch wegen der darstellerischen Leistung von Harvey Keitel, der sich den Lieutenant aneignet, als wäre er selbst nie etwas anderes als ein drogensüchtiger Soziopath gewesen und dabei gnadenlos mit jedem Star-Tabu bricht.