Mängelexemplar :: Regie: Laura Lackmann
Sarah Kuttners erster Roman verfilmt: Punchlines, Farben wie in der Bravo und Laura Tonke, die alles herausreißt.
Erst ist Karo (Claudia Eisinger) ihren Job bei einer Event-Agentur los, dann ihren Musiker-Freund und schließlich auch noch ihr inneres Kind. Das Einzige, was der 27-Jährigen bleibt, ist eine ausgewachsene Depression. Selbst das Rundum-sorglos-Paket bei Oma (Barbara Schöne) und Mama (Katja Riemann) hilft ihr da nicht mehr weiter. Zwischen Atemübungen, Tablettenbergen und neuer Flirterei muss Karo nun erst einmal herausfinden, was ihr eigentlich wirklich gut tut.
In einer Amazon-Bewertung zu Sarah Kuttners Debüt-Roman heißt es: „die schnotterige Ausdrucksweise sollte vielleicht leger und cool wirken, ist sie aber nicht.“ Und diese Formulierung ist noch eine der harmlosen Art. Tatsächlich musste TV-Quasselbirne Kuttner für „Mängelexemplar“ eine Menge Häme einstecken. Regie-Neuling Laura Lackmann kommt somit eine auf den ersten Blick ziemlich undankbare Aufgabe zu. Wer will schon das vorgespielt bekommen, was schon auf dem Papier genervt hat? Doch anstatt aus dem Buch 1:1 einen Film zu schustern, machte sie sich an ein Drehbuch, welches sich weit von der Vorlage entfernt. So erinnert nun lediglich die knallbunte Farbgebung (Stichwort: Augenkrebs) sowie auch der Look von Protagonistin Karo an Sarah Kuttner. Aber ansonsten ist die „Mängelexemplar“-Kinoversion eine ziemlich eigenständige Sache – Gott sei Dank. Denn hier will zwar vieles cool wirken, ist es aber am Ende meist auch. Und das liegt vor allem an Laura Tonke. Ja gut, Claudia Eisinger ist auch schon ziemlich super, wie sie da so verschwitzt und mit irrem Glubschaugen-Blick das kleine Kind im Baumarkt zusammenfaltet. Aber Laura Tonke hebt den Film wirklich auf ein höheres Niveau.
Tonke gibt hier Karos beste Freundin. Sie arbeitet in einer versifften Kneipe, in der man auch im Sommer nicht die Türen aufmachen darf. Wenn ihr jemand nicht passt oder etwas tut, was ihr nicht gefällt, lässt sie ihrer Verachtung freien Lauf. Und das ist schlichtweg grandios gespielt. Ihre komplette Körperhaltung zeigt Hass an. Und manchmal auch grenzenlose Müdigkeit. Denn sich in Berlin zu behaupten – lauter zu sein als die anderen – das schlaucht. Dank Laura Tonke kratzt die Depressionskomödie nicht nur an der oberen Blabla-Schicht. Wenn sie auf den Plan tritt, pöbelt, tanzt und Männern versucht die Oberlippenbärte abzusäbeln, dann hat der Film die doppelte Ladung Leben. Die Message, dass auch üble Zeiten ein wenig Humor brauchen, kommt mit ihrer Hilfe an. Wäre sie nicht dabei, würde „Mängelexemplar“ wohl nur ein weiterer halbnetter Versuch eines Berlin-Szeneportraits sein, der bis zum nächsten Kinobesuch wieder vergessen ist.
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