Jupiter Jones
Brüllende Fahnen
Four/Sony, 25.03.2016
Bis aufs Gerüst entkernte Rockmusik einer Band, die den Neuanfang wagt – doch neben Punk, Pop und dem Sänger auch die Melodien verloren hat.
Man muss Jupiter Jones zunächst einmal Mut attestieren. Mut dazu, auch ohne ihren 2014 ausgestiegenen, für Songwriting und Bandsound aber anscheinend unersetzlichen Sänger Nicholas Müller weiterzumachen. Und Mut, sich mit dessen Ersatz Sven Lauer an ein weiteres Album zu trauen, das den zuletzt eingeschlagenen Weg – weg vom Punkrock, rein in den „Echo“-tauglichen Radiopop – nahezu konterkariert. Die dank ihrer Ballade „Still“ auch Frühstücksfernsehzuschauern bekannten Mittdreißiger sprechen von „neuem Elan“ und „größtem Bock“ und einer „ganz besonderen Platte der Bandgeschichte“. Stimmt, BRÜLLENDE FAHNEN klingt wirklich schwer nach Neuanfang – trotz oder wegen des neuen Gesichts am Mikro aber leider auch relativ gesichtslos.
Inhaltlich bemühen sich Jupiter Jones um neue Standortbestimmung: Das so roh wie der Rest produzierte „Ein bisschen Paranoia“ arbeitet sich an Castingwahn, der Medienbranche und anderen Oberflächlichkeiten ab. In „Alle Türken heißen Ali“ zitieren sie grassierende Ressentiments und Stereotypen. Die vielversprechendsten Songs sind schwierigerweise aber die, die Lauers Austauschbarkeit und Hang zum Sprechgesang am offenbarsten werden lassen: Mit Müllers warmer Reibeisenstimme wäre „Herzen schlagen sich“ die neue Hitballade geworden, „Lauf.Forrest.Lauf!“ der stärkste Song. So hingegen klingen Jupiter Jones bisweilen so ungelenk wie die Titelmetapher, suchen einen neuen Groove, den sie noch nicht so recht gefunden haben, finden lyrische Spitzen, aber keine Melodien und dürften damit wieder in den überschaubaren Clubs spielen, in denen sie groß geworden sind. Dort treffen sie vielleicht auf Müller, der mit seinem neuen Projekt Von Brücken – na was wohl – melancholischen Songwriterpop spielt.