Underworld

Barbara Barbara, We Face A Shining Future

Caroline/Universal

Die Progressive-House-Avantgarde unterstreicht ihre Unverzichtbarkeit.

Ein, bzw. zwei Jahre nachdem die Beat-Briten mit opulenten Wiederveröffentlichungen ihrer unantastbaren Meisterwerke DUBNOBASSWITHMYHEADMAN (1994) und SECOND TOUGHEST IN THE INFANTS (1996) der Welt noch einmal ihre Großtaten vor Augen/Ohren führten, ein neues Album zu veröffentlichen, erfordert Mut. Zu groß der Schatten der 90er-Jahre, zu laut der „Lager! Lager!“-Nachhall, zu naheliegend der Vergleich, der kaum zugunsten der Jetztzeit ausfallen kann. Zumal Underworlds letztes Album, BARKING, fünfeinhalb Jahre zurückliegt.

Karl Hyde und Rick Smith sind je knapp sechzig Jahre alt. Was haben die der heutigen Elektro-Szene noch groß mitzuteilen? Kann der Albumtitel BARBARA BARBARA, WE FACE A SHINING FUTURE nur als naiver Irrglaube gelesen werden? „I Exhale“, der achtminütige Opener, mit seinen eigenartig dem Rock’n’Roll verpflichteten Stadion-Drums, über den sich ein dröhnendes Bass-Riff aus nur zwei leicht windschiefen Tönen wälzt, fegt diese Fragen vom Tisch. So eindeutig und direkt waren Underworld wohl seit „Bruce Lee“ nicht mehr.

Natürlich brodelt es unter der Oberfläche von „I Exhale“ noch gewaltig, reihen sich die unterschiedlichsten Noises aneinander. Aber von den verschachtelten, vielschichtigen Strukturen, die üblicherweise die Architektur eines Underworld-Songs bilden, ist das Stück weit entfernt. Auch das mit Ambient-Elementen arbeitende „Low Burn“ macht keine Kontrolle an der Club-Tür. Hier kann jeder rein, hierzu kann jeder tanzen. Erst der Alleingang einer spanischen Gitarre, „Santiago Cuatro“, sowie das im Schlepp-Tempo gehaltene „Motorhome“ gemahnen daran, dass man es hier nach wie vor mit abenteuerlustigen Um-die-Ecke-Denkern zu tun hat.

Aber dennoch: Bei allen Rave-Exzessen ihrer Vergangenheit haben Underworld nie primär auf die Füße geachtet, trotz all ihrer Cleverness hielten sie nie zuerst nach den Gebildeten im Publikum Ausschau. Bei Underworld kam die Emotion stets vor allem. Und weil man um diesen Song, diese ultimative aller Dance-Hymnen ja im Underworld-Kontext sowieso nicht herumkommt, soll er als Beleg gelten: Ja, zu „Born Slippy. NUXX“ kann man sich kaputt tanzen. „Born Slippy. NUXX“ ist mit sehr viel Sachverstand komponiert. Aber vor allem löst sein schepperndes Synthie-Motiv doch Euphorie aus.