Field Music
Commontime
Memphis Industries/Indigo
Neue Kurvenfahrten der nordenglischen Progressive-Popper.
Man sollte sich die Brüder David und Peter Brewis mit ihren häufig wechselnden Mitmusikern unbedingt einmal live ansehen: Traumwandlerisch sicher spielen sich die beiden durch ihre kurvenreichen und komplexen Songs, wie Taxifahrer aus Tokio, die diese Stadt wie ihre Westentasche kennen.
Die großen Vorbilder XTC haben das Touren irgendwann aufgegeben, weil Chef Andy Partdrige panische Angst davor hatte, seine Songs nicht mehr perfekt auf die Bühne zu bringen. Dann lieber gar nicht. Field Music haben solche Sorgen nicht. Ihr progressiver Wave-Pop besitzt eine größere Rockdichte. Perfektion ist auch hier das Ziel, aber beizeiten steigt auch mal der Spaßfaktor, weil ein Riff so viel Freude bereitet oder die Kuhglocke einen so tollen Groove gefunden hat.
In den ersten fünf Karrierejahren konnten sich die Nordengländer vor Kritikerlob gar nicht mehr retten, danach trieb die Band etwas ab – auch, weil sich die Brüder den Luxus erlaubten, ihre besten Songs für tolle Nebenprojekte wie The Week That Was aufzusparen oder Soundtracks aufzunehmen. COMMONTIME ist das erste neue Album nach vier Jahren, und schon der erste, sechseinhalb Minuten lange Song „The Noisy Days Are Over“ zeigt, wohin die Reise geht: Saxofonsolo, Streicherarrangements – und ein Text über die Vernunft, abends lieber früher ins Bett zu gehen, als auf den Putz zu hauen.
Passt schon, COMMONTIME ist durchaus eine Streber- und Nerdplatte. „Disappointed“ schielt in Richtung Soft-Rock, klingt nach Hall & Oates im Indie-Land. „I’m Glad“ leiht sich die Hektik beim frühen Elvis Costello, „Trouble At The Lights“ wirkt wie ein Stück an der Schnittstelle von Genesis mit Peter Gabriel und dessen ersten Solowerken. Der Band wird es großen Spaß bereiten, diese Songs live aufzuführen. Als Hörer auf dem Beifahrersitz wünscht man sich zwar manchmal die eine oder andere Kurve weniger, dennoch: Hochklassepop für Denksportbegeisterte.