Blockflöte, Cello und Pisse – Schnipo Schranke im Interview


Schnitzel und Pommes mit Ketchup und Mayonnaise, kurz: Schnipo Schranke. Nicht nur der Name der Band, eigentlich alles an ihr besitzt diesen leicht verstörenden Wiedererkennungswert. Wir haben uns dem Untergang aller Sittsamkeit gestellt.

Zwei junge Frauen in Uniformen des Vietcongs stehen vor dem Venue. Ein großer, älterer Typ kommt dazu, der Freund der einen. Er spricht mit, oder eher zu dem Organisator des gerade stattgefundenen Konzerts: „Ey, du könntest Madonna in der Stadion-Arena veranstalten und weißte, da kämen 180 Leute!“ Die Umstehenden grinsen, irgendwas mit Sound oder dem Ablauf des Abends hat nicht ganz gepasst, jetzt folgt der unterhaltsame Showdown in der Raucherecke. Die uniformierten Frauen sind Schnipo Schranke, der Typ ihr Best Boy: Ente. Zusammen ergeben sie eine Urgewalt, die durch die ausdefinierte Indie-Kavalier-Szene genauso pflügt wie durch die streng limitierten Frauenrollen in Pop.

Ihr Debütalbum SATT, das sie bei und mit Ted Gaier von den Goldenen Zitronen aufgenommen haben, veruntreut zudem lustvoll herrschenden Szene-Purismus, wenn es mit einem HipHop-Move eröffnet. Der nämlich handelt von der eigenen Band, proklamiert, wer man selbst ist. Im Rap ganz selbstverständlich, um erst einmal Land zu gewinnen, die Konkurrenz in die Schranken zu weisen. Im bewegten Indie-Pop ist man indes gemeinhin zu bescheiden oder zu fein für solche Ansagen. Fritzi Ernst und Daniela Reis kümmert so eine Contenance gar nicht, sie wollen viel eher wissen: „Wer sind wir eigentlich?“ Eine gute Frage, die es aber eben selbst zu beantworten gilt, bevor es andere tun: „Das ist die neue Schule. Das ist Schnipo Schranke, ’ne Kurze und ’ne Kranke, zwei Emos, ein Gedanke. Wir schreiben Zeile für Zeile, aus purer Langeweile.“

In Hamburg von einer „neuen Schule“ zu sprechen, zeugt gleichermaßen von Popkultur-Geschichtsbewusstsein wie von einem „Wir scheißen uns nix“-artigem Selbstvertrauen. In einem Vertreter-Hotel im Schanzenviertel etliche Zeit nach der Begegnung in der Raucherecke sitzen die beiden nun artig auf zwei Stühlen und verzehren Süßigkeiten. Es kann losgehen.

Musikexpress: Nachdem ihr in Frankfurt das Musikstudium beendet habt, seid ihr gemeinsam nach Hamburg gezogen. Wieso gerade Hamburg – und nicht Berlin oder sonst wo?

DANIELA: Wir haben uns Hamburg von Anfang an zugehöriger gefühlt. Und bevor alles losging, gab es einen positiven Facebook-Austausch mit Rocko Schamoni. Da dachten wir, wenn wir hierher kommen, bringt der uns ganz groß raus. Aber das mussten wir letztlich jetzt doch mehr oder weniger selbst machen. (lacht) Wir hatten jedenfalls einen Bezug zur Stadt, und alle coolen Leute, die man so kennt, kommen eben aus Hamburg und nicht aus Berlin. Die Goldenen Zitronen allein schon!