Oasis
DEFINITELY MAYBE (30TH ANNIVERSARY DELUXE EDITION)
Big Brother/ Universal (VÖ: 30.8.)
There we were, now here we are: Jubiläumsausgabe zum 30. des Britpop-Behemoths.
Zwei Monate nachdem Liam Gallagher seine mit Deep Cuts gespickte Nostalgie-Revue, die „Definitely Maybe – 30 Years“-Tour in der Heimatstadt seiner alten Band, Manchester, zu Ende gebracht hat und wenige Stunden nach den Gerüchten um eine Oasis-Reunion, erscheint das epochale Oasis-Debütalbum fast pünktlich einen Tag nach seiner Erstveröffentlichung vor 30 Jahren erneut und mit zahlreichen Extras. Über die elf Klassiker der Platte ist schon viel geschrieben worden, vor allem auch auf diesen Seiten. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Prophezeiung „You and I are gonna live forever“ scheint sich zu bewahrheiten. Auch nach drei Jahrzehnten haben diese Songs nichts von ihrer Strahlkraft verloren, sind zu britischen Nationalhymnen geworden, familiar to millions. Definitely, not maybe.
AmazonWollen wir uns hier also auf das Bonusmaterial konzentrieren, gibt es doch faszinierende Einblicke in die schwere Geburt des Albums. Dessen Aufnahmen begannen im Februar 1993, als im Out-Of-The-Blue-Studio von Manchester die spätere Single „Shakermaker“ festgehalten wurde. Der Rest sollte Ende 1993 im Monnow Valley Studio in der Nähe des walisischen Rockfield konserviert werden. Produzent war Dave Batchelor, der schon mit Classic-Rockern wie Nazareth und Dr. Feelgood zusammengearbeitet hatte.
Morris’ neuer Mix rettete das Album
Doch die Aufnahmen verliefen unbefriedigend, der Sound war dünn und blechern. Batchelor vermochte es nicht, die Live-Energie der Gruppe aufs Band zu bringen. Einzig „Slide Away“ schaffte es aufs Album, allerdings als Remix von Owen Morris. Der wurde ins Boot geholt, nachdem auch Sessions in den Sawmills Studios von Cornwall unter der Ägide von Mark Coyle durchgefallen waren. Morris’ neuer Mix rettete das Album. Unglaublich, wie frisch und direkt die letztendlichen Songs klingen, wenn man bedenkt, durch wie viele Hände sie geflutscht waren.
Die erste Hälfte der hier versammelten 16 Dreingaben stammt aus Wales, ihr folgen sieben Outtakes aus Cornwall. In puncto Komposition ist unser Erkenntnisgewinn dabei selten überwältigend, die Strukturen sind allesamt nah an ihren finalen Fassungen. Die beiden größten Überraschungen sind der „Rap“-Part aus „Columbia (Sawmills Outtake)“, den Liam Gallagher im Juni erstmals live präsentiert hatte. Hier sprechsingt er sexistische Four Bars, die völlig zu Recht der Schnittschere zum Opfer gefallen sind: „Well, her sister lives in Norris Green / She’s the biggest tart you’ve ever seen / She can’t half build a wall / Straight as a javelin pole“. Auf künftigen Konzerten will Gallagher das Segment dennoch beibehalten. Zuvor wandelt er im selben Stück die Bridge ab und singt an die Medien gerichtet: „To those in the media, all we can say to ya / This is confusion, am I confusing you?“
Es fällt auf, mit welch kindlicher Stimme der damals 21-jährige Liam Gallagher hier teils noch singt
Das andere Highlight ist das Aufgreifen eines alten Coca-Cola-Werbesongs in „Shakermaker (Monnow Valley Version)“: „I’d like to buy the world a Coke / And keep it company / That’s the real thing“. Zum Hintergrund: 1971 hatten die Songwriter Roger Cook und Roger Greenaway ihren Song „I’d Like To Teach The World To Sing (In Perfect Harmony)“ dergestalt umgetextet, dass das Stück in einem populären Werbeclip des Brauseherstellers Verwendung finden konnte. Mastermind Noel Gallagher wuchs mit der Reklame auf und übernahm 23 Jahre später die Melodie für „Shakermaker“. 1996 veröffentlichte die irrwitzige Tribute-Band No Way Sis ihre eigene Version von „I’d Like To Teach The World To Sing“ im Oasis-Sound, verziert mit weiteren Referenzen an Songs wie „Some Might Say“ und „Cigarettes & Alcohol“, um schelmisch auf deren Gleichförmigkeit hinzuweisen, sowie dem, von einer Coverband interpretiert wirklich sehr lustigen Coke-Slogan „You can’t beat the real thing“.
Es fällt auf, mit welch kindlicher Stimme der damals 21-jährige Liam Gallagher hier teils noch singt – wie ihm etwa in der Wales-Version von „Rock ’N’ Roll Star“ noch der Hochmut abgeht. Ebenso fehlt hier das hypnotische „It’s just Rock’n’Roll“-Outro, dafür hämmern Noel Gallagher und Rhythmusgitarrist Paul „Bonehead“ Arthurs ihre Powerchords. Auf die elegante Gitarren-Überleitung zu diesem Teil müssen wir ebenfalls noch warten, genauso verhält es sich mit dem Möwen-artigen Gitarrengekreische am Anfang von „Columbia“, das in Wales noch deutlich brachialer loswalzte, und dem die Nackenhaare aufstellenden Intro-Riff von „Rock ’N’ Roll Star“. Mit einem ähnlichen Gluckser wie zu Beginn des „Sawmills Outtake“ des Songs eröffnete die Band Jahre später „Put Yer Money Where Yer Mouth Is“.
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Krönender Abschluss der Archivauswahl ist eine Urversion von „Sad Song“. Ausgereift und von Noel gesungen, sollte das Stück seinen Weg zwischen „Columbia“ und „Supersonic“ auf die Tracklist der Vinylausgabe von DEFINITELY MAYBE finden. Beim „Mauldeth Road West Demo“ war im November 1992 noch Liam am Mikrofon. Mag die Unschuld in seiner damaligen Stimme an anderer Stelle noch fast amüsieren, trifft sie hier mitten ins Herz.
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