David Bowie

WAITING IN THE SKY (BEFORE THE STARMAN CAME TO EARTH) / DIAMON DOGS – 50TH ­ANNIVERSARY EDITION / ROCK’N’ROLL STAR!

Parlophone/Warner (VÖ: 14.6.)

Drei – strenggenommen: neue – „neue“ Tonträger markieren den Anfang und das Ende von David Bowies heilsbringendem Art-Rock-Alien Ziggy Stardust.

Pünktlich am 77. Geburtstag des 2016 verstorbenen Pop-Genies wurde Bowies diesjähriger Beitrag zum Record Store Day angekündigt: WAITING IN THE SKY (BEFORE THE STARMAN CAME TO EARTH) (5 Sterne) enthält die vorläufige Tracklist für THE RISE AND FALL OF ZIGGY STARDUST AND THE SPIDERS FROM MARS von 1972. Diese frühe Version stammt von den am 15. Dezember 1971 in den Londoner Trident Studios bespielten Viertelzoll-Bändern. Vier Songs finden sich hier, die es nicht auf die finale Platte schafften: ein Cover von Chuck Berrys „Round And Round“, eins von Jacques Brels „Amsterdam“, dazu „Holy ­Holy“ und „Velvet Goldmine“.

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Die geschassten Nummern wurden über die Jahre auf Singles verteilt und räumten Platz frei für die drei Auskopplungen „Rock’n’Roll Suicide“, „Suffragette City“ und „Starman“, aus dessen Refrainzeile der Albumname destilliert wurde. Die „Top Of The Pops“-Performance dieses sich ungeniert an den Erfolg von T.Rex’ „Hot Love“ anheftenden Singalongs machte Bowie zum Massenphänomen, weswegen sich die Frage nicht stellt, welche Fassung des Albums vorzuziehen ist. Doch aus der Flut an posthumen Bowie-Releases ragt dieses Produkt als eins der schlüssigeren heraus.

Einerseits fühlt man sich etwas voyeuristisch, andererseits lässt sich nicht leugnen, von welch hohem historischen Interesse diese Aufnahmen sind

Wer es am 20. April nicht zum RSD geschafft hat oder die überzogenen Preisvorstellungen diverser Discogs-Seller nicht teilt, muss nicht verzagen: Die Songs finden sich ebenfalls auf dem im Juni erscheinenden Boxset ROCK’N’ROLL STAR! (5,5 Sterne) Auf fünf CDs plus Blu-ray begleiten wir Bowie vom Februar 1971 über die Sessions für ZIGGY STARDUST bis zu Live-Präsentationen dieser monumentalen Stücke. Zu den 29 bisher unveröffentlichten Songs wie dem rumpeligen Hotelzimmer-Demo „So Long 60s“, dem „Soul Love“-Demo, einem im Vergleich zur späteren PIN UPS-Version beschleunigten „I Can’t Explain“-Cover von The Who und einer John-Peel-Session vom 11. Januar 1971 gesellen sich zahlreiche Outtakes sowie Konzertmitschnitte aus Boston, Radio- und Fernsehsendungen.

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Einerseits fühlt man sich etwas voyeuristisch, einer der definitiven Kunstfiguren des 20. Jahrhunderts hinter die Maskerade zu blicken, andererseits lässt sich nicht leugnen, von welch hohem historischen Interesse diese Aufnahmen sind. Hier wird ein späteres Solo vorerst nur gesummt, dort hat sich das „­Ziggy Stardust“-Riff noch nicht aus seiner Akkordbegleitung geschält, an vielen anderen Stellen singt Bowie noch ganz andere Texte.

Bowie beschloss, seine eigene Großstadt-Apokalypse zu entwerfen

Obwohl er sein ruhmreiches Alter Ego bereits am 3. Juli 1972 zum Abschluss der „Ziggy Stardust“-Tour in Rente schickte, blickte es uns zehn Monate später auf dem Cover von DIAMOND DOGS erneut entgegen, und zwar als Mensch-Hund-Chimäre. Das Titelmotiv von Bowies achtem Album – das zum 50. Jubiläum in zweifacher Vinyl-Ausfertigung neu aufgelegt wird: als Half-Speed-Master und als Picture-Disc-LP vom selben Band – versinnbildlicht die zerfahrene Natur der Platte. Zunächst hatte er vor, die Ziggy-Ära mit einem Musical abzuschließen; diesen Überlegungen entsprangen zumindest „Rebel Rebel“ und „Rock’n’Roll With Me“. Dann vereitelte George Orwells Witwe den Plan für eine Theaterproduktion des dystopischen Romans „1984“. Übrig blieben immerhin die Stücke „1984“ und „Big Brother“.

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Bowie beschloss daraufhin, seine eigene Großstadt-Apokalypse zu entwerfen, inspiriert wurde er vom Underground-Schriftsteller William S. Burroughs, den er im November 1973 für „Rolling Stone“ interviewt hatte. Den Einfluss hört man vor allem dem Monolog „Future Legend“ an, der sich am Duktus von ­ Burroughs’ Roman „Naked Lunch“ anlehnt. Auch die Folgen der Session mit dem kurzlebigen Projekt The Astronettes (mit Cherry Sängerin Ava Jason Guess und Bowies Schulfreund Geoff Mac-Cormack) sind zu spüren, versuchte sich Bowie dabei doch erstmals an Soul, der den Nachfolger YOUNG AMERICANS prägen sollte.

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DIAMOND DOGS ist ein Übergangswerk, vom Glam-Rock, dem Bowie mit der Genderbender-Hymne „Rebel Rebel“ ein prachtvolles Abschiedsgeschenk macht, hin zu Funk und „Plastic Soul“, wie er es nannte. Auch gilt es als Brücke zum Punk: Die marodierenden City-Gangs wurden als Prototyp der Sex Pistols gelesen, und nachdem Bowie die Zusammenarbeit mit seiner Begleitband um Mick Ronson beendet hatte, war es an ihm, den Leadgitarristen zu geben, was in schroffen Darbietungen resultierte. DIAMOND DOGS (5 Sterne) passt – als Album – hinten und vorne nicht zusammen. Als Songsammlung betrachtet, ist es makellos.

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