Boom Tschak: Formatkunst – Albert Koch über Levon Vincent
Vinyl als Kunstobjekt ohne artsyfartsy Getue: Das späte Debütalbum des New Yorker Produzenten Levon Vincent.
Seit 2002 hat Levon Vincent mehr als ein Dutzend 12-Inches und EPs veröffentlicht und eine Mix-CD aus der FABRIC-Serie. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis der New Yorker Produzent, der in Berlin lebt, eine Reputation bei den Bescheidwissern aufgebaut hat. Jetzt hat Vincent sein spätes Debütalbum LEVON VINCENT (Novel Sound) veröffentlicht. Als kostenlosen WeTransfer-Link auf seiner Facebookseite. Er, der bisher seine eigene Musik ausschließlich auf Vinyl herausgebracht hat, wollte den einschlägigen Blogs zuvorkommen, die das Album ohnehin kurz nach Veröffentlichung angeboten hätten. Denn: „If you can’t beat em … fuck em“. Das offizielle Format, das Sammlerstück, sei ohnehin die Vinyl-Variante, schrieb Vincent auf Facebook. Und die stand einen Tag nach der WeTransfer-Aktion in den Läden.
Vier heavyweight LPs in weißen Papierhüllen, in einer schmucklosen Plastikhülle untergebracht. Das Cover: ein einzelnes Blatt mit der handschriftlichen Tracklist. Liest sich unspektakulär, ist es aber nicht. Jedes Album ist ein Unikat. Vincent hat mit dem Bildenden Künstler Thomas Bernich aus Brooklyn aus alten Magazinen, Kinoprogrammen und Zeitschriften Bilder ausgeschnitten und damit die Labels der vier „A-Seiten“ beklebt – keine Platte gleicht der anderen, das Format Vinyl als Kunstobjekt ohne artsyfartsy Getue. Die Musik? Dub-Techno, Industrial-beeinflusste Tracks, Ambient, die dunklere Seite des Synthie-Pop, Minimal Music, Deep House und straighter Techno – mal vom Bass, mal von der Melodie geführt. Levon Vincent wirbelt die Möglichkeiten der elektronischen Musik durcheinander, um sie virtuos nach seinen Anforderungen zurechtzubiegen – ganz der Wissenschaftler, der auf dem Feld des Arschwackelns forscht (Selbsteinschätzung). Zusammengehalten wird das alles von Atmosphären und Stimmungen, darum geht’s hier, auch wenn die Kickdrum auf den Dancefloor zieht: Es ist „Anti-Corporate Music“. So heißt ein Track auf dem bisher besten Album des Elektronikjahrgangs 2015.
Diese Kolumne ist in der Mai-Ausgabe des Musikexpress erschienen.