Elvis Costello
Hey Clockface
Concord/Universal (VÖ: 30.10.)
Rumpelrock und Nachtballaden, konfrontativ und vulnerabel.
„Hey, Uhrengesicht!“ Sehr schön, kann man gut an der Supermarktkasse nutzen, wenn jemand von hinten drängelt. HEY CLOCKFACE ist Costellos zweites Album mit Uhr im Titel, nach PUNCH THE CLOCK von 1983, einer sehr guten, aber poppig-glattpolierten Platte. Diese hier ist ganz anders.
AmazonMitte Februar reiste Costello nach Helsinki, „weil mich dort niemand erkennt“, und nahm dort drei fabelhafte Stücke mit irren Beats auf; die Nihilismus-Hymne „No Flag“ besitzt obendrein einen der besten Costello-Refrains aller Zeiten. Danach ging es weiter nach Paris, wo er übers Wochenende neun Stücke fertigstellte: Costello auf dem Boden sitzend und singend, sein Ensemble darauf reagierend.
Dieser Künstler hat in seiner Karriere einige Platten aufgenommen, die eine Distanz zwischen Sänger und Publikum aufbauten. HEY CLOCKFACE hingegen ist eine Direktkonfrontation. Auch Costello- typische nächtliche Balladen wie das wunderhübsche „The Last Confession Of Vivian Whip“ oder „What Is It That I Need That I Don’t Already Have“ haben ihre Zerbrechlichkeit behalten, bei Letzterem bricht Costellos Stimme, bei „The Whirlwind“ verhaut er sogar ein paar Töne, doch das bleibt alles drin, verfügt der Künstler, denn das ist genau richtig so.
So wie auch „Revolution #49“, Costellos „Game of Thrones“-Moment: ein gespenstisches Mantra aus einer fernen Winterwelt, mit ewigem Schnee, Herzen so kalt wie Stein sowie der Erkenntnis: „Love makes a rich man from a beggar.“ Elvis Costello traut sich was, geht all-in – und wird abräumen, wenn die Bestenlisten 2020 geschrieben werden.