Nirvana: Kurt Cobains „MTV Unplugged“-Gitarre erzählt auch ein Stück Grunge-Geschichte
Kurt Cobains Halbakustik-Gitarre Martin D-18E wird für einen Startpreis von einer Million Dollar angeboten. Wahrscheinlich ist der emotionale Wert nahezu unschätzbar. Kurt Cobain wurde nur 27 Jahre alt. Wir blicken auf sein Leben und seine kurze, intensive Karriere mit Nirvana zurück.
„With the lights out, it’s less dangerous /Here we are now, entertain us”.
Musikfans aus aller Welt haben sofort die Melodie im Ohr und nicken mit dem Kopf. Die Rede ist von einem der bekanntesten Rock-Songs aller Zeiten: „Smells Like Teen Spirit“. Das Lied war im September 1991 die erste Single-Auskopplung aus dem Platinalbum NEVERMIND der Band Nirvana. Ein neues Musikgenre namens Grunge (zu deutsch: Schmutz) eroberte in nur wenigen Wochen alle Kontinente. Zweieinhalb Jahre später nahm sich Sänger Kurt Cobain das Leben.
Sein Marktwert als Künstler ist ungebrochen hoch: Kurt Cobains Halbakustik-Gitarre Martin D-18E wird am 19. und 20. Juni 2020 versteigert – zum Startpreis von einer Million US-Dollar. Das Auktionshaus „Julien’s Auctions“ bietet sie in Beverly Hills an. Der Besitzer des Instruments ist nicht bekannt – zum engeren Kreis der Verdächtigen dürften Cobains Witwe Courtney Love sowie die gemeinsame Tochter Frances Bean gehören.
Wir blicken auf sein Leben und seine kurze, intensive Karriere zurück, die nur fünf Jahre andauern sollte.
Verregnete Stadt, trübe Kindheit
Kurt Donald Cobain wurde am 20. Februar 1967 in Aberdeen im US-Bundesstaat Washington geboren. Aberdeen ist eine meist verregnete Kleinstadt im Nordwesten der USA, aber auch die dort vorherrschenden sozialen Verhältnisse haben oft nicht die sonnigsten Aussichten.
Kurts Mutter Wendy arbeitete als Kellnerin, sein Vater Donald als KfZ-Mechaniker. Als Cobain neun Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden und er wurde infolge dessen zwischen Vater und Mutter hin und her gereicht. Cobain selbst beschrieb zumindest seine frühe Kindheit als harmonisch, er malte gerne und viel.
Nach der Trennung der Eltern wurde bei ihm ADHS diagnostiziert und er musste Medikamente wie zum Beispiel Ritalin einnehmen, um seine Hyperaktivität zu unterdrücken. Im Laufe der Zeit entschied sich Cobain bei seinem Vater zu leben, weil er mit dem neuen Lebensgefährten seiner Mutter nicht klarkam. Als auch sein Vater eine neue Partnerin mit zwei Kindern in Cobains gewohntes Umfeld brachte, wurde die Situation zunehmend schwieriger.
Seine Ablenkung war die Musik und seine Vorliebe für Punk-Bands wie die Sex Pistols und die Ramones. Er fing an, Gitarre zu spielen. 1982, im Alter von 15 Jahren, lernte er Krist Novoselic kennen. Mit ihm sollte Cobain 1987 die Band Nirvana, anfangs noch unter anderen Namen, gründen. Später kam der heute noch dank seiner Foo-Fighters-Karriere berühmte Dave Grohl als Drummer dazu.
Die Anfänge von Nirvana waren von vielen kleineren Auftritten in Clubs und Bars der Stadt Seattle geprägt. Seattle gilt als Wiege des Grunge und hat auch andere Musikgrößen, wie Pearl Jam, Soundgarden, Alice in Chains hervorgebracht – und auch Jimi Hendrix, der vielleicht größte Gitarrist aller Zeiten, entstammt der Küsten-Metropole im obersten Nordwesten der USA.
Das Debüt-Album von Nirvana, BLEACH, erschien 1989 auf SubPop und galt noch als Geheimtipp unter Punkfans. Ein gewisser Nikolas Hartshorne war in Seattle Ende der Achtziger Konzertveranstalter für Punk-Bands, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis er auf Nirvana stieß, für die er diverse Konzerte organisierte. Später orientierte sich Hartshorne um und studierte Gerichtsmedizin.
Ikone wider Willen
Wenn man die Begriffe „Legende“ oder „Ikone“ und Kurt Cobain in einem Satz erwähnt, tut man ihm womöglich unrecht. Cobain mochte es nicht, so genannt zu werden. Er hasste es sogar. Aber der Erfolg kam, und Cobain konnte es nicht verhindern: Am 24. September 1991 erschien das zweite Studioalbum NEVERMIND und schoss sogleich an die Spitze der US-Charts.
Das Album erreichte nach nur wenigen Wochen Platinstatus und entthronte postwendend Michael Jacksons Album DANGEROUS von der Chartspitze. Die erste Single-Auskopplung, „Smells Like Teen Spirit“, gilt bis heute als Hymne der Rockmusik. Mit dem Ruhm hielt auch der exzessivere Umgang mit Heroin immer mehr Einzug – Cobain war schon lange davon abhängig. Da er zudem an chronischen Magenschmerzen litt, dämpfte der Stoff seinen Schmerz.
Zudem wollte der 27-Jährige nie so erfolgreich werden, wie er es auf einmal wurde. Cobain wollte einfach nur Musik machen, ohne den ganzen Trubel. Später sagte er sogar, dass er „Smells Like Teen Spirit“ hasste – und Nirvana spielten ihn fortan so gut wie nicht mehr live. Auf ihre erste Single folgten weitere Hits wie „Come As You Are“, „In Bloom“ und „Lithium“.
Und NEVERMIND veränderte die Musikwelt. Es sorgte dafür, dass auch die anderen Grunge-Bands größere Erfolge feierten durften. Auf die Frage, was sie gedacht hatte, als sie das Album das erste Mal hörte, antwortete Cobains Mutter: „Kurt, dafür bist du noch nicht bereit“. Sie sollte damit Recht behalten, wie sich später zeigte.
Cobain nahm immer häufiger immer mehr Drogen. Auch die Ehe mit Courtney Love und die Geburt der gemeinsamen Tochter Frances Bean hielten ihn nicht davon ab, sich Heroin zu spritzen. Bei Live-Auftritten vergaß er nun Texte und Akkorde, so dass ein weiterer Gitarrist, Pat Smear, engagiert wurde. Auch mehrere Entzugskuren halfen nicht.
Aus dem Kreislauf aus übermäßigem Drogenkonsum, Entzugskliniken und Depressionen entstand trotz allem das dritte und letzte Studioalbu IN UTERO, das 1993 veröffentlicht wurde. Das Werk war noch aggressiver als seine Vorgänger. Der Albumtitel stammte vom Bassisten Krist Novoselic, Cobain wollte das Album eigentlich I HATE MYSELF AND I WANT TO DIE nennen. Das war auch des Öfteren die Antwort von Cobain auf die Reporterfragen, wie er sich fühlte.
Grunge stirbt
Der Erfolg von Nirvana ging natürlich auch nicht an den Produzenten von „MTV Unplugged“ vorbei. So wurde am 18. November 1993 das mittlerweile legendäre Live-Akustik-Album MTV UNPLUGGED IN NEW YORK aufgezeichnet. Das gesamte Setting wirkte so, als sei man auf einer Beerdigung. Nirvana, aber vor allem Cobain, bestanden darauf, dass alles mit weißen Lilien und schwarzen Kerzen ausgestattet werden sollte.
Nirvana spielten alle 14 Songs in einem Rutsch ohne Unterbrechung, darunter kaum Singles, dafür sechs Coverstücke. Eines davon war David Bowies „The Man Who Sold The World“. Dieser Song ist es auch, der das „MTV Unplugged“ gar nicht so unplugged macht, denn die nun zur Versteigerung angebotene Martin D-18E ist eine Halbakustik-Gitarre, die man an einen Verstärker anschließen kann.
Cobain spielte das Intro sowie die Interludes und das Solo mit einem verzerrtem Gitarrensound. Das war bis dato einmalig bei einem „MTV Unplugged“ – und vielleicht macht genau das diese Gitarre zu einem Eine-Million-Dollar-Objekt.
Anlässlich der Veröffentlichung von IN UTERO stand auch eine Europatournee an. Am 01. März 1994 sollte in München das letzte Konzert von Nirvana zu sehen sein. Der Auftritt wurde von Anfang an von einer merkwürdigen Stimmung getragen. Das Zusammenspiel wirkte so, als ob die Bandmitglieder sich uneinig waren.
Schließlich wurde die Tour abgebrochen und Cobain flog bereits am 02. März 1994 mit seiner Frau Courtney nach Rom. Dort wurde er später in einer Badewanne und mit einer Überdosis Beruhigungsmittel im Blut regungslos aufgefunden. Cobain bekräftigte kurze Zeit später immer wieder, dass er keinen Suizid begehen wollte, sondern lediglich ein paar Tabletten mit zu viel Alkohol vermischt hätte.
Dieses Ereignis verunsicherte Cobains gesamtes Umfeld massiv und brachte ihn dazu, sich erneut in eine Entzugsklinik einweisen zu lassen, diesmal in Marina Del Rey in der Nähe von Venice, Los Angeles. Auch diese Kur sollte nicht helfen: Er floh am 01. April 1994 aus der Klinik und tauchte unter. Cobain kaufte sich Heroin und eine Schrotflinte.
Am 05. April 1994 ging er auf den Dachboden seines Hauses in Seattle, spritzte sich das Heroin und erschoss sich. Auf seinem Abschiedsbrief stand ein Zitat aus einem Neil-Young-Song: „It’s better to burn out than to fade away“ („Es ist besser auszubrennen, als langsam zu verblassen“). Er wurde erst drei Tage später, am 08. April 1994, von einem Elektriker gefunden. Der Gerichtsmediziner, der seinen Tod feststellte, war jener Dr. Nikolas Hartshorne, der Cobain als unbekannten Musiker in den kleinen Bars in Seattle erlebte und Auftritte für ihn organisierte.
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