Prince
Originals
Warner
Die Piloten seiner Hits für die anderen: Der gesamte Prince-Kosmos, verdichtet auf 15 Stücke.
In einer Zeit, in der quasi alle Musik immer und überall verfügbar ist, klingt ein Begriff wie „The Vault“ doppelt geheimnisvoll: Da gibt es also einen Ort, an dem Unmengen an Musik des großen Prince lagern, Songs, die nur wenige kennen und die nach und nach von den Nachlassverwaltern des Prince Estate preisgegeben werden. Die beiden bisherigen Kernveröffentlichungen wären auch zur Lebzeiten von Prince Knaller gewesen.
PIANO & A MICROPHONE 1983 funktioniert wie eine Eintrittskarte in den Paisley Park, man ist dabei, wie Prince ausprobiert, entwickelt, skizziert. ORIGINALS ist nun eine Zusammenstellung, die sowieso überfällig war: Mitte der 80er- bis Anfang der 90er-Jahre schrieb Prince reihenweise Stücke für andere Acts, das Album versammelt die 15 erfolgreichsten und besten aus dieser Zeit – eingespielt und gesungen von Prince, der sich den Spaß nicht nehmen ließ, diese Stücke auch selbst aufzunehmen. Manchmal, um zu schauen, ob sie nicht doch besser auf einer seiner Platten aufgehoben wären. Häufiger, um den anderen Acts einen Piloten an die Hand zu geben.
AmazonVon Demos zu reden, wird der Sache aber nicht gerecht: Es ist eher so, als würde ein Meisterkoch geniale Menüs erfinden, diese hinter den Kulissen für einen exklusiven Kreis vorkochen, um das Essen dann von Kollegen servieren zu lassen. Dank ORIGINALS sitzen wir jetzt alle mit Prince am Tisch. „Nothing Compares 2 U“ steht am Ende dieser Sammlung, geschrieben hatte Prince das Stück ursprünglich 1985 für The Family. Anders als später Sinéad O’Connor bietet der Songwriter keinen tieftraurigen keltischen Trotz, sondern Blues-Drama, bei Prince ist das Stück ein solider Schleicher, erst O’Connor lässt es ins Übermenschliche wachsen.
Die bessere Ballade ist „Love… Thy Will Be Done“, gesungen von Martika, Anfang der 90er-Jahre einer Pop-Königin mit kurzer Regierungszeit. Die Grundspur des Prince-Originals wurde auch für die Version auf MARTIKA’S KITCHEN verwendet, dazu noch etwas Mainstream-Make-up und Martikas klarer Gesang – fertig ist ein brillantes Stück zwischen Pop und Soul. Es würde nicht wundern, wenn Justin Vernon auf der nächsten Bon-Iver-Platte mit ähnlicher Musik um die Ecke kommt.
Halb gönnerhaftes Genie, halb Kreativdirektor: So baute Prince sein Pop-Imperium
Wenn es bei Prince um die Liebe geht, ist auch der Sex nicht weit: „Sex Shooter“ ist ein seifig-elegantes Pop’n’Funk-Stück, das Prince für die von ihm initiierte Girlgroup Apollonia 6 geschrieben hatte. Ein Stück, das für diese Platte vorgesehen war, zog Prince im letzten Augenblick zurück: Das Juwel „Manic Monday“ übergab er wenige Wochen später an Susanna Hoffs, Sängerin einer jungen Frauenband aus dem „Paisley Underground“ von Los Angeles, wo man 60s-Nostalgie mit 80s-Sounds kreuzte. The Bangles landeten mit diesem banalen wie genialen Popsong einen Riesenhit, der Kritik gefiel das Stück übrigens zunächst weniger: Lahm sei es, im besten Fall eine 80s-Auffrischung der Mamas & The Papas.
Neben diesen Hits bietet ORIGINALS tolle Entdeckungen: „Make-Up“ ist ein rasend gutes Future-R’n’B-Stück aus dem Jahr 1981, die Funk’n’Rap-Sause „Holly Rock“ und das kreuzbrave „The Glamorous Life“ repräsentieren seine Songwriter-Arbeit für Sheila E., die wie auch Jill Jones, Taja Sevelle oder The Time Teil der Prince-Organisation war. Der Chef belieferte diese Acts mit Songs, baute damit an seinem Pop-Imperium, war halb gönnerhaftes Genie, halb kreativer Diktator. Inwieweit es bei der Entstehung dieser Songs zu problematischen Situationen kam, ist ein Thema, das noch aufgearbeitet werden muss. Noch hält „The Vault“ in dieser Hinsicht ziemlich dicht.