Conor Oberst und Bright Eyes: ‚The People’s Key‘


Nachdem er in den letzten Jahren damit gefremdelt hatte, scheint Conor Oberst den Frieden mit seiner Hausmarke Bright Eyes gemacht zu haben. Jetzt erschien ihr neues Album "The People's Key".

Dass die Zeit vergeht, und wie schnell, merkt man auch daran, dass die Wunderknaben plötzlich erwachsene Männer sind. Wenn am 15. Februar sein neuestes Album in die Läden kommt, pustet Conor Oberst zu Hause vielleicht gerade die Kerzen auf seiner veganen Geburtstagstorte aus. Dann wird der Sohn eines Versicherungsangestellten und einer Lehrerin, der mit zehn seine erste Gitarre bekam, mit 13 seine Debüt-MC auf dem selbstgegründeten Label veröffentlichte, mit 14 seine erste Band formierte und parallel gleich noch eine zweite, der seitdem nicht mehr aufgehört hat, Songs zu schreiben, Bands um sich zu scharen, Labels zu gründen und Platten zu veröffentlichen und der seit zehn Jahren eine feste Größe in der US-Indieszene ist – der wird dann 31 Jahre alt sein. Und somit auch mehr als sein halbes Leben lang assoziiert mit dem Künstler/Band/Projektnamen Bright Eyes.

Ein gewichtiger Name war das geworden, aufgeladen mit dem Nimbus des Wunderkinds, der zerrissenen Künstlerseele, des Indie-Darlings und „neuen Dylan“, des mirakulös produktiven Songwriter-Stars und des beherzt Stellung beziehenden Protestsängers – die meisten seiner Lands­leute kennen Oberst aus der Jay-Leno-Show, in der er 2005 mit dem bitteren Anti-Bush-Song „When The President Talks To God“ landesweit Kinnladen nach unten klappen ließ. Vielleicht war er ihm zu gewichtig geworden, dieser Name, denn gerade erst hatte Oberst Bright Eyes mit dem Album Cassadaga Anfang 2007 vom Ein-Mann-plus-offenes-Kollektiv-Projekt zu einer dreiköpfigen Band konsolidiert, da legte er die Eyes auf, nun, Eis. Es folgten ein Album unter eigenem Namen, eins mit der neuen Mystic Valley Band, die famose Supergroup Monsters Of Folk – und zwischendurch die Einlassung Obersts, er wolle nur noch ein Album mit Bright Eyes machen und sie dann zur Ruhe betten.

Youtube Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Das wäre nun also The People’s Key, das neue, siebte Bright-Eyes-Album – und das letzte? Wen diese Aussicht traurig stimmt, den wird es freuen, dass Oberst das mittlerweile relativiert. „Das war ein Interview vor ein paar Jahren“, sagt er am Telefon von Omaha aus, und man hört ihn kaum, vor lauter Unaufgeregtheit in der Stimme. „Zu der Zeit hab ich wohl die Wahrheit gesagt. Aber jetzt haben wir diese Platte, und ich liebe Mike und Nate und sehe keinen Grund zu sagen: Das war’s jetzt.“ Das sind die Bright-Eyes-Mitglieder Nate Walcott und Mike Mogis – Letzterer einer von Obersts ältesten, besten Freunden, Spiritus Rector und Produzent seit frühen Tagen. „Ich glaube, worum es mir nach Cassadaga ging, war, einmal eine Platte ohne Mike zu  machen. Weil er so lange mein Sicherheitsnetz war. Ich musste wissen, dass ich das konnte.“

Eigentlich sowieso egal, welcher Name draufsteht. Hauptsache, Oberst ist drin und die Musik taugt was. Das kann man The People’s Key attestieren, wobei es Oberst ein Anliegen war, aus­gelatschte Pfade zu verlassen. „Mittlerweile verbinden uns so viele Leute mit einem Folk-Country-Americana-Sound, ein wichtiger Teil von uns, sicher. Aber ich bin so gelangweilt davon.“ Ein „modern sounding“ Album sollte es werden, und tatsächlich lässt The People’s Key wenig Schlüsse auf Country-Sämigkeit zu; statt heimeliger Rutschgitarren quäken in den dichten Arrangements eher 80s-verdächtige Synths.

Kenner werden nicht allzu verstört sein – sie haben ihren Conor ja schon auf dem elektronischen Digital Ash In A Digital Urn von 2005 ähnlich erlebt.

Den gewohnten Oberst hat man, wenn man ihn auf Politik anspricht. Aufgewachsen im notorisch konservativen „red state“ Nebraska, ist Oberst da Kummer gewohnt und hat sich auch ein gewisses spirituelles Rüstzeug zurechtgelegt, um nicht an der doch recht desolaten Situation in den USA zwei Jahre nach der Wahl von Hoffnungsträger Obama zu verzweifeln. „Traurigerweise muss man sagen: Es geht so weiter wie zuvor“, seufzt er. „Obama hat gute Absichten und tut sein Bestes, aber da sind diese bestehenden Machtstrukturen, gegen die nicht anzukommen ist. Unsere Regierungen sind derart verknüpft mit der Wirtschaft, den Geldströmen, den Konzernen. Und ich müsste lügen, wenn ich sage, dass ich nicht enttäuscht bin davon, wie viele Sachen hier zuletzt gelaufen sind. Aber ich glaube, was jeder von uns tun kann, ist weiter zu kämpfen und versuchen, positiv zu bleiben. Ich bin sehr davon überzeugt, dass alles, was in der Welt passiert, beim Einzelnen anfängt. Bei der Art und Weise, wie man mit anderen umgeht.“ Humanismus und eine Idee der „Einheit“ –„oneness“, ein Begriff, der in der Rastafari-Bewegung eine große Rolle spielt – sind für Oberst die Grundthemen von The People’s Key („die Tonart der Menschen“). „ Diese Vorstellung, dass wir doch alle im selben Boot sitzen“, sagt Oberst. „Wo gehen wir hin? Wie wollen wir sein? Sind wir dazu verdammt, eingeschlagene Wege weiterzugehen oder ist es noch möglich, gewisse Dinge anders zu machen und eine empathischere Welt zu schaffen?“

Hehre Worte, aber im konkreten Fall langt Oberst auch immer noch hin. So ist er einer der Wortführer des Auftrittsboykotts, den eine wachsende Zahl von US-Musikern gegen den Staat Arizona fährt, seit dort im April 2010 ein extrem rigides neues Gesetz gegen illegale Einwanderer – die Senate Bill 1070 – in Kraft trat. Dass es ebenfalls Arizona war, wo wenige Tage vor diesem Interview ein mit rechten Ideen vollgestopfter Verwirrter die demokratische Politikerin Gabrielle Giffords niederschoss und sechs Menschen tötete, ist für Oberst nicht unbedingt ein Zufall. „Es gibt viele Gründe, warum so was passiert. Leute, die auf aggressive, xenophobe Weise Hass schüren zwischen Menschen, gegen Immigranten. Dieser Fieberwahn, den etwa die Tea Party schürt, wirkt sich meiner Meinung nach direkt auf den Verstand der Leute aus. Das ist auf der ganzen Welt ähnlich, und man muss immer wieder aufstehen und sagen: ,Wir sind Menschen, wir sind alle gleich, mit ein paar kulturellen Unterschieden. Alles andere sind Täuschungen, in die Welt gesetzt, um Keile zwischen uns zu treiben – damit die Mächtigen mächtig und die Reichen reich bleiben können.‘“ Oberst pausiert kurz. „Und abgesehen davon: Warum zum Teufel brauchen wir halbautomatische Waffen, die sich dann ein offensichtlich durchgeknallter 22-Jähriger kaufen kann? Das ist lächerlich und tatsächlich eine speziell amerikanische Frage.“

Angesichts solcher Fragen kann ein Portiönchen Surrealismus gut tun. Auf The People’s Key ist immer wieder eine guruhafte Stimme zu hören, die über heilbringende Aliens einer- und ganz interessante sozio-spirituelle Thesen andererseits doziert. Das ist die von Denny Brewer, Mitte 60, Kopf der texanischen Band Refried Ice Cream, den Oberst vor ein paar Jahren kennengelernt hat. „Denny ist ein Original, Abteilung Acidhead/Biker. Ich führte damals lange Gespräche mit ihm. Bei Bright Eyes ist es Tradition, Alben mit eigenartigen Intros anzufangen. Und als ich für diese Platte Ideen suchte, wurde mir klar, dass viele der Themen zu tun haben mit diesen Gesprächen mit Denny. Da hab ich ihn gefragt, ob er Lust hätte, ins Studio zu gehen und wir reden noch mal ein wenig und nehmen das auf – nur ein paar Minuten. Am Ende saßen wir anderthalb Stunden da.“

Weitere Artikel:

Die Rezension der aktuellen Platte The Peoples Key.

Musikexpress präsentiert Bright Eyes bei den Festivals Hurricane und Scheeßel 2011.

Offizielle Seite von Bright Eyes, die Band auf Myspace.