Album der Woche

Fucked Up

Dose Your Dreams

Merge/Cargo (05.10.2018)

Was Punk alles kann! Große Revue eines beschissenen Lebens, mit Bläsern, Streichern und J Mascis.

Die kanadischen Konzept-Punks Fucked Up haben ihren Helden David wiederauferstehen lassen, wir kennen ihn noch vom 2011er-Großwerk DAVID COMES TO LIFE. Zwar sind Fucked Up wild und growlt ihr Sänger Damian Abraham ohne Rücksicht auf zarte Indie-Ohren, aber hinter der Punk-Kulisse stecken komplexe Erzählungen – und hinter den Songs sehr gute Melodien.

David steht nun auch im Zentrum dieses abendfüllenden Albums, jeder der 18 Songs steht für eine Episode aus „Ulysses“ von James Joyce, wie auch Leopold Bloom im Buch durchläuft der Protagonist, der sich hier verwirrenderweise Joyce nennt, einen Irrweg, ausgehend von einer Begegnung mit einem zwergenhaften Zauberer, der im Mülleimer im Hinterhof seines Büros lebt und ihn in ein Universum zwischen „The Wizard Of Oz“ und „Twin Peaks“ entführt.

Parallelweltpsychedelic und Punk gehen nicht gut zusammen, die Punks waren ja angetreten, die Hippies auf dem Boden der Tatsachen mit Bierdosen zu bewerfen. Doch diese Kanadier scheißen auf Konventionen, also auch auf die, dass eine Punk-Platte nichts mit Prog zu tun haben dürfe.

Aber Fucked Up sind nicht Marillion. Die Idee ist eher, alles zuzulassen: Es gibt Jazz-Bläser und Beats, der Titelsong klingt nach SCREAMADELICA, die Streicher dazu hat Owen Pallett geschrieben. Der Ansatz zu diesem epischen Durcheinander stammt von Gitarrist Mike Haliechuk.

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Der Vorgänger GLASS BOYS, eine Reflexion über das Altern im Punk, war ein gedankliches Kind von Sänger Damian Abraham, die Fans liebten diese Platte jedoch weniger als DAVID COMES TO LIFE. Abraham erkannte das und gab Haliechuk alle Freiheiten.

Natürlich gibt es jede Menge erstklassiges Punkrockmaterial: Zu „None Of Your Business Man“ und „Raise Your Voice Joyce“ krempeln Fucked Up die Ärmel hoch. „How To Die Happy“ klingt dann nach Dream Pop zwischen Beach House und Cocteau Twins, „The One I Want Will Come For Me“ ist das perfekte Post-Hüsker-Dü-Stück, bei „Came Down Wrong“ singt J Mascis einen bittersüßen Refrain.

„Love Is An Island In The Sea“ ist selige 60s-Psychedelia, das Werk endet mit dem fast acht Minuten langen „Joy Stops Time“, bei dem sich Gaststimme Miya Folick als Kontrapunkt zu Abraham in Ekstase singt, Fucked Up klingen hier wie eine auf Krawall gebürs­tete Reinkarnation von Broken Social Scene. Danach hat man keine Fragen mehr. Aber auch keine Antworten. DOSE YOUR DREAMS fegt den Kopf leer – ein Punk’n’Psychedelia-Meisterwerk.

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