Titus Andronicus 

A Productive Cough 

Merge/Cargo 

Die Punkrock-Band um den genialischen Patrick Stickles macht den „reverse Dylan“ – und spielt nur noch Balladen.  

„Man muss die ruhigeren Dinge im Leben schätzen lernen“, sagt Sänger und Bandchef Patrick Stickles in der „Making of“-Doku zur neuen Titus-Andronicus-Platte. „Man muss nicht die ganze Zeit rumschreien.“ Das letzte TA-Album, die wahnsinnig gute Punk-Rock-Oper THE MOST LAMENTABLE TRAGEDY (2015), war voller Schreie: Wutschreie, gepeinigte Schreie, lebensbejahende Urschreie. Die Samen für den Nachfolger A PRODUCTIVE COUGH wurden gesät, als Stickles vor ein paar Jahren in einem Plattenladen ein akustisches In-Store-Konzert gab und ihm ein Fan sagte: „Du solltest eine ganze Platte so machen!“ Eine Akustik-Platte ist …COUGH nicht geworden, wohl aber eine komplette Abkehr vom halsbrecherischen, Mitschrei-Punk, für den viele Fans Stickles’ Band feiern. Stattdessen dominieren Balladen und Mid-Tempo-Kneipenrocker.

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Es wird immer noch Springsteen Tribut gezollt – aber nicht mehr dem Fäuste-in-die-Luft-Springsteen aus der Ära BORN TO RUN, sondern dem im Reime-Wörterbuch blätternden, zu „Blinded By The Light“ schunkelnden Springsteen. Noch größer ist aber der Einfluss des elektrisierten Bob Dylan: in „(I’m) Like A Rolling Stone“ verwandelt Stickles den Klassiker in eine selbstgeißelnde, verzweifelte Tirade – indem er das Personalpronomen von „you“ in „I“ umwandelt: „I know how it feels to be on my own“. Der packendste Song ist auch der leiseste: die Piano-Ballade „Crass Tattoo“, in der die Sängerin Megg Farrell Stickles’ Geschichte über dessen von der britischen Punkband Crass inspirierte Tätowierung erzählt. „Es ist auch eine literarische Agenda am Werk“, sagt Stickles in der Doku. „Wenn du nicht genau zuhörst, dann weißt du nicht, was los ist.“ 

Klingt wie: Neil Young & Crazy Horse: EVERYBODY KNOWS THIS IS NOWHERE (1969) / Lou Reed: SALLY CAN’T DANCE (1974) / The Hold Steady: HEAVEN IS WHEREVER (2010)