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Untote Sänger, Faust auf Auge, Laptops im Pool, Popkomm futsch und andere Sensationen sowie eine kleine Medi(en)tation Man sollte uns Medien nicht alles glauben. Die „Süddeutsche Zeitung“ etwa meldete neulich, Dave Gahan sei 1996 „zwei Monate klinisch tot“ gewesen – was DEPECHE-MODE-Ver’ichtern Stoff für Spott liefern mag, aber eher nicht stimmt, ebenso wie unsere Meldung über DM-Konzertabsagen wegen „Magen-Darm-Gnppe“; in Wirklichkeit war’s ein Blasentumor. Nun, heißt es, sei Gahan wieder gesund. Was man von PETER DOHERTY traditionsgemäß auch diesmal nicht behaupten kann (Trunkenheit am Steuer, Fahren ohne Führerschein, Drogen in der Tasche, Prozess folgt), was sich aber medienmäßig ebenso totläuft wie das Gewese umAMY WINEHOUSE, deren Eltern sich kürzlich mal wieder in flammenden Worten an die Öffentlichkeit wandten, um bekanntzugeben, die Drogen-Suff-Rekonvaleszenz ihrer Tochter mache Fort-, aber auch Rückschritte. Dass sich Winehouse am 23. Juli vor Gericht gegen den Vorwurf verteidigen muss, letztes Jahr einer Frau eine aufs Auge gehauen zu haben, ist kaum sensationeller. Daher: zurück zu den klinisch Toten. Etwa Tameka Foster, die im Februar bei einer Fettabsaugung einen Herzinfarkt erlitt und starb, aber nach knapp einer Minute wiederbelebt wurde. Ehemann USHER sagte damals seinen Auftritt bei der Grammy-Verleihung ab, um sich um Tameka zu kümmern, nun mag der zweifache Vater kein Gatte mehr sein und reichte die Scheidung ein. Wen das interessiert? Die Medien, wen sonst! Die fanden auch gleich heraus, dass Usher, als im Dezember 2008 seine Tochter zur Welt kam, schon fast ein halbes Jahr von seiner Frau getrennt lebte. Dass derartige Umtriebe ihren Weg in die Nachrichten finden, liegt an der alten Ideologie vom Popkünstler als Gesamtkunstwerk und Monarchieersatz – was dem Star zustößt, meint man, ist auch künstlerisch von Bedeutung und geht uns alle an, schließlich liebt, leidet und scheidet er für unser aller Wohl, und wenn die Normalbevölkerung in Krisenzeiten fürchten muss, bald kein Brot mehr zu haben, ist es doch tröstlich zu erfahren, dass es den Tortenessern nicht besser geht (von Ausnahmen abgesehen, emzDIZZEE RASCAL, der seinen erst vor Wochen aus Sparsamkeit angeschafften Mini schon wieder gegen einen Porsche getauscht hat). Und dass sie dieselben Schwächen haben, so wieJAlUIROQUAI-SÄnger]ay Kay, den Reporter in London beim Joggen erspähten – mit dicker Fluppe im Mund. Manches hat auch nur den Zweck, uns in schweren Zeiten ein Lächeln abzuringen, wenn wir etwa erfahren, KATE MOSS wolle unbedingt mit Freund Jamie Hince (THE KILLS) ans Mikro treten, bei einer Karaoke-Party im Londoner Cafe de Paris, was Hince verweigert, weil er Bandkollegin Alison Mosshart nicht verärgern mag, woraufhin Moss seinen Laptop mit sechs neuen Kills-Songs im Schwimmbecken versenkte. Oder wenn BRITNEY SPEARS den klassischen Tour-Fauxpas wagt und ihr Publikum in Manchester mit “ What’s up, London?“ begrüßt. Oder Dieter Gorny meldet, die diesjährige „POPKOMM“ müsse ausfallen, wegen der bösen Download-Terroristen (die übrigens auch am schlechten Wetter schuld sind). Treffen wird sich die Branche trotzdem Mitte September in Berlin, neuer Arbeitstitel: „Berlin Music Market“. Und sowieso Mitte August in Köln auf der „c/o pop“. Es gibt auch richtig wichtige Anliegen, bei denen die Berichterstattungsgier nicht schaden kann, z. B. das Doppelalbum THE SUN GAME OUT zugunsten von Oxf am, für das NEIL FINN Beiträge u. a. von JOHNNY MARRJEFF TWEEDY, KT TUNSTALL einsammelte – sowie von Ed O’Brien und Phil Selway (RADIOHEAD), wobei Drummer Selway erstmals als Sänger zu hören ist. Hilf bereitschaft zeigten such ADAM GREEN, CHAIRLIFT und LIGHTSPEED CHAMPION bei einem Benefizgig unter dem Motto „We are the Wiley“. Gemeint ist Gitarrist, Bassist und Keyboarder/OjV WILEY, der für alle Beteiligten tätig war und ist und für einen einwöchigen Krankenhausaufenthalt (wegen Multipler Sklerose) 30.000 Dollar zahlen muss. Spenden sind willkommen: wearethewiley.blogspot.com. Wenn dadurch eventuell ein paar Menschen in den USA (und anderswo) erkennen, dass es nicht genügt, einen sympathischen Präsidenten zu wählen, um die Welt zu verbessern, dann haben auch wir Medien bei aller Fehlbarkeit und Neigung zum unwichtigen Blödsinn doch mal wieder gezeigt, dass unsere Arbeit nicht ganz sinnfrei und eitel ist.