„Z Nation“: Am Set der lustigsten Zombie-Serie der Welt
Am 07. März läuft auf Syfy die finale „Z Nation“-Staffel an. Wir waren bei den Dreharbeiten in Spokane, USA, und sprachen mit den Machern über hungrige Untote, den untoten US-Präsidenten und die Zukunft des Horror-Genres.
Die Tür eines anderen Wohnwagens öffnet sich, und der „Doc“ stößt dazu. Er ist sofort im Thema. „Die Talkers wollen Bürgerrechte. So ziehen wir Parallelen zu den Migranten, die in die USA kommen. Sie verdienen dieselben Rechte wie wir. Und wir fordern, dass Vernunft und Würde ins Weiße Haus einziehen.“
Dann lässt sich Russell „Doc“ Hodgkinson in einen Klappstuhl auf der Rasenfläche fallen. Er ist ein Schlaks in Latzhose und mit Stirnband. Tiefe Lachfalten. Sieht aus wie jemand, der als Teenager in Woodstock war und nun in den Wäldern Washingtons, auf der anderen Seite Amerikas, die Ruhe und gute Luft genießt.
Hodgkinson spielt Steven Beck alias Doc, den Arzt, der, das bringt die Nähe seines Berufs zur Pharmazie mit sich, nach dem Zombie-Ausbruch eigentlich eine Karriere als Marihuana-Dealer antizipierte. Schon früh in Staffel eins wird klar, dass mehr aus dem Doc herauszuholen ist. Ein zweiter Blick auf die Zeit seit Serienstart 2014 lohnt sich auch. Dann erst bemerkt man, dass Hodgkinson aufgehört hat sich zu rasieren und die Haare zu schneiden. Er ist ein Hippie, mit langem, grauen Haarkranz um der Glatze und einem Zottelbart. Dieser Zausel ist Ziehvater des jungen „10k“ (Nat Zang) und für die Harmonie im Team zuständig.
Freunde wider Willen
Das zeigt die wohl wichtigste Szene in Staffel eins, als es mit dem Doc erstmals eine Sympathiefigur erwischt zu haben scheint. „Doc war im Luftschacht gefangen“, erzählt Hodgkinson. „Das Gebäude explodiert, und ich komme, über und über mit Zombie-Gedärm beschmiert, auf die anderen zugetorkelt. Warren hält mich für einen Zombie und hätte fast abgedrückt.“ Was dann geschah, gab es in „Z Nation“ nicht allzu oft zu sehen. Auf die Erleichterung, dass der Gefährte nicht infiziert wurde, folgen Umarmungen und Freundschaftsbekenntnisse.
„Alle waren glücklich. Dies war der erste Moment, in dem die Gruppe Einigkeit zeigte“, sagt Hodgkinson. Es gehört ja zum Merkmal dieser – wie so vieler anderer – Komödienserien, dass die Freunde nur Freunde wider Willen sind. Sie stehen erst dann zusammen, wenn der Feind von außen kommt. Das hat „Z Nation“ mit „Malcolm Mittendrin“ und der Familienbande um Bryan Cranstons Daddy Hal gemein.
Hodgkinson liebt seinen Doc, gerade auch, weil er selbst nicht viel gemein mit ihm hätte. „Dieser Doktor ging doch gar nicht aufs College, und dann diese Ausdrucksweise! ‚Right On!‘, ‚Far Out!‘. Der 59-Jährige zuckt mit den Schultern. „Eigentlich bin ich auch kein Horror-Fan. Ich komme vom Theater.“ Und zeigt damit doch den Schulterschluss zu seiner Figur. Auch der Doc wirkt wie einer, der in die Verantwortung für „Patient Zero“ Murphy eher hineingestolpert ist.
Hodgkinson verabschiedet sich, macht sich wieder auf zu seinem Wohnwagen. Er teilt noch seinen Lieblings-Zombie mit: „Der geröstete aus dem Solarium.“
Keith Allan: der Superstar im Zombie-Universum
Es ist Mittagspause am „Z Nation“-Set. Weil der letzte Drehtag angebrochen ist, wird zur Feier auch Hummer aufgetischt. Das sorgt für eine lange Schlange am Büffet. Zu Kameramann, Tontechnikern und Beleuchtern gesellen sich auch die einen oder anderen Darsteller, in voller Horror-Montur.
Keith Allan ist „Patient Zero“ alias Murphy alias The Murphy. The Murphy, das klingt wie McMurphy, jener berühmte Antiheld aus Ken Keseys Roman „Einer flog übers Kuckucksnest“: Der Aufwiegler, der den Außenseitern eine Stimme gibt. The Murphy sitzt mit den anderen auf einer Bank und kaut am Hummerbein. Sein Gesicht ist rot angemalt, auch die eine oder andere Kunstwunde ziert sein Antlitz. Er kriegt ja immer am meisten Dresche und wird am häufigsten gebissen. Allan schmatzt zufrieden und beim Lachen wackelt sein Kinnbart: Darin hat sich eine Nudel verfangen.
Allan schwingt beim Dozieren den Hummer. „Wir leben in ‚Newmerica‘“, sagt er. „Es ist wie im Jahr 1775 in den USA, also ein Jahr vor der Gründung der Vereinigten Staaten. Unabhängige Kolonien bestimmen über die Bildung eines einzigen großen Landes. Alles ist möglich, es ist eine aufregende Zeit!“
Und Murphy steckt mittendrin. Er ist der herausragende Charakter der Serie, einer, der sich ständig weiterentwickelt und nur mit Glück manche Situationen überlebt und sein Glück oft gar nicht bemerkt. Seine Weiterentwicklung war sicher nicht geplant. Zwar steht er als „Patient Zero“, als möglicher Retter der Menschheit, von Episode eins an im Mittelpunkt. In seinem Blut kann ein Heilmittel stecken.
Aber der große, liebenswerte Clown war zu Beginn in ihm nicht zu sehen: „Patient Zero“ war „Patient Zero Personality“, wie Showrunner Karl Schaefer befindet. Ein weinerlicher, machtloser, dazu schmutzig aussehender Häftling – eigentlich wollte man ihn gleich loswerden.
Wer Murphy und der Serie treu blieb, erlebte eine der vielleicht schönsten Ausarbeitungen eine Figur in der jüngeren Fernsehgeschichte. Mit seinen rund 1,90 Metern ist Keith Allan für einen Tänzer eigentlich zu groß, aber er hat den körperlichen, biegsamen Ausdruck Fred Astaires verinnerlicht. Seine Bass-Stimme verleiht auch dem größten Irrsinn, den er aussprechen muss, die Autorität eines Theatermimen, dem man nichts vormachen kann. Deshalb hat sich Murphy den Titel „The Murphy“ auch verdient: ein einzigartiger Freund, an dessen Seite man sich nie sicher fühlen, der aber trotzdem führen kann.
„Murphy versteht die Untoten“
„Er ist unzuverlässig, egozentrisch, opportunistisch, oft sogar verachtenswert“, sagt Allan, „aber eben nur im Umgang mit Menschen. Murphy trägt auch Zombie-DNA in sich. Er ist oft der einzige, der sich die Zeit nimmt infrage zu stellen, wie wir die Untoten behandeln.“ Das macht ihn zu einer Art Superstar der Apokalypse: Alle haben schon von ihm gehört, alle wollen ihn sehen, aber alle wollen auch mit ihm Gewinn machen.
Bei all dem Slapstick ist Allan aber auch einer, der das Drama beherrscht. Es gibt durchaus Tote in dieser Sendung, wichtige Charaktere, von denen wir uns unerwartet verabschieden müssen. Als sich seine Tochter Lucy für ihn opfert (Staffel vier), bricht aus Murphy die Verzweiflung über sein Dasein heraus, der Selbsthass und die Erkenntnis der Zwecklosigkeit des Lebens in der post-apokalyptischen Welt. Es gibt viele Schauspieler, die überhaupt nicht gut weinen können (De Niro, DiCaprio!). Allan brach einem als trauernder Daddy unvermutet das Herz.
Murphy ist der Motor von „Z Nation“, durch seine ständigen Seitenwechsel bereitet er allen anderen Probleme. „Man weiß nie, was er für einen bereithält“, sagt Allan. In der fünften Season nistet er sich in einem Casino namens „Limbo“ ein, einem Schmutzloch samt Playgirls. Er wird der Hugh Hefner der Zombie-Welt. „Ständig“, sagt Allan, „fragt Murphy sich: Wie kann ich Kapital schlagen aus meiner Situation?“ Als jemand, der sich, solange er Boss wird, überall einrichten kann, ähnelt er auch dem Kapitän Haddock aus „Tim und Struppi“. Mit dem Comic-Seebären hat Murphy außerdem gemein, dass beide Charakterköpfe keine Vornamen mehr benötigen (Murphy heißt Alvin, Haddock Archibald).
Auch Showrunner Schaefer ist Murphy-Fan. Er sagt, Allan als auch Russell „Doc“ Hodgkinson hätten die explizite Erlaubnis, Dialogzeilen zu improvisieren. „Der Mann ist Comedy-Gold. Und er kann jede Kostümierung tragen und sieht jedes Mal hervorragend aus.“
In einer gerechteren Welt wäre Keith Allan wohl längst für einen Emmy nominiert worden. Schaefer stimmt zu: „Mindestens auch unsere Kostümabteilung hätte eine Nominierung für einen größeren Fernsehpreis verdient. Aber allein die Teilnahme am Award-Rennen setzt teure Anträge voraus, und die müssten wir selbst verantworten.“
Mal sehen, ob Schaefer mit der nächsten Serie Kampagnenarbeit starten wird. Der Showrunner hat ein Prequel zu „Z Nation“ kreiert: „Black Summer“, wieder vom „Asylum“ produziert, aber diesmal direkt von Netflix vertrieben. Die Auftakt-Staffel soll noch im ersten Halbjahr 2019 anlaufen.