Wissenschaftliche Studie belegt: Gangster-Rap hat ein Antisemitismus-Problem
Forschende der Universität Bielefeld befragten 500 junge Menschen zu ihren Einstellungen gegenüber Juden sowie zu ihren Hörgewohnheiten. Die Ergebnisse, die nun vorliegen, sind besorgniserregend.
Deutscher Gangster-Rap steht immer wieder in der Kritik, einen negativen Einfluss auf junge Hörer*innen zu haben. Nun gibt es die erste empirische Studie einer Universität zur Verbreitung von antisemitischem und frauenfeindlichem Gedankengut im Deutschrap. Die Ergebnisse wurden von der nordrhein-westfälischen Antisemitismusbeauftragten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorgestellt.
Zwischen Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Gesellschaftskritik
Das Wissenschaftsteam der Universität Bielefeld befragte für ihre Studie 500 Männer und Frauen zwischen 12 und 24 Jahren zu ihrer Einstellung gegenüber Juden und ihrer Verbindung zu Gangster-Rap. Bei 26,5 Prozent der Befragten, die eine starke antisemitische Einstellung vorwiesen, hörten 81,4 Prozent gerne Gangster-Rap. Bei den Befragten ohne antisemitische Einstellung (36, 5 Prozent), hörten weniger als die Hälfte Gangster-Rap.
Bildung spielt eine Nebenrolle
Antisemitische Symbole und Andeutungen antisemitischer Verschwörungstheorien, wie beispielsweise die „Rothschild-Theorie“, wurden von den Befragten nicht als solche erkannt. Ähnliche Zusammenhänge zeigten sich auch zwischen Gangster-Rap und frauenfeindlichen Einstellungen. Der Aspekt der Bildung spielte bei den Anschauungen der Befragten offenbar eine untergeordnete Rolle, da judenfeindliche Einstellungen auch bei Menschen mit gymnasialer Bildung vertreten waren. Viele betrachteten Gangster-Rap, unabhängig von den fragwürdigen Inhalten, als eine Form der Gesellschaftskritik. Zu den Ergebnissen sagte die Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
Die Studie belegt erstmalig empirisch, dass Gangsta-Rap den Nährboden für spätere verfestigte antisemitische Einstellungen bereitet (…) Wir dürfen nicht zusehen, wie Musiker Antisemitismus propagieren und mit gewaltverherrlichenden und frauenfeindlichen Texten Jugendliche indoktrinieren.
Rapper Ben Salomo leistet Aufklärungsarbeit
Einer, den die Ergebnisse der Studie wenig überraschen, ist der jüdische Rapper Ben Salomo. Über lange Zeit hinweg war er Moderator bei der beliebten Battle-Rap-Veranstaltung „Rap am Mittwoch“, bis er sich 2018 aufgrund antisemitischer Einstellungen von Rapper*innen, vor und hinter den Kulissen, aus der Szene zurückzog. Seitdem produziert er weiterhin Musik, mit der er unter anderem auf ein strukturelles Antisemitismus-Problem im HipHop und in der Gesellschaft aufmerksam machen möchte. In einem Interview mit der FAZ sprach er ausführlich über dieses Thema und beleuchtete auch den islamistischen Antisemitismus:
Antisemitismus habe ich nicht nur in Textzeilen, sondern vor allem hinter den Kulissen erlebt. Ich war oft die Projektionsfläche für antisemitische Verschwörungslegenden oder Vorurteile. Das führte zu verbalen Entgleisungen und teilweise sogar zu tätlichen Angriffen.
Vor kurzem veröffentlichte Ben Salomo den Song „Kronzeuge“, in dem er mit der Deutschrap-Szene vor Gericht zieht und ihr den Spiegel vorhält: