Wie Schubert, Nur Fieser
Bevor der stressige Alltag als Superstar wieder losgeht, singt Mika kleine Moritaten über grauenvolle Dinge.
Salt Lake City ist schuld. Diese Stadt, deren primäre Aufgabe es ist, uninteressant in einem Tal zwischen hohen Bergen herumzustehen, bescherte uns den anderen Mika. Den kontemplativen, den ruhigen Mika. Vor gut eineinhalb Jahren, während der Tour zum Hit-Album des Londoners LIFE IN CARTOON MOTI-ON, blieb auf dem Weg nach Salt Lake City der Truck m it dem gesamten Equipment irgendwo im Eis der Rocky Mountains hängen. So mussten Mika und seine Band improvisieren: besorgten sich Akustik-Instrumente und übersetzten Pop-Quietscher wie „Grace Kelly“ oder „Billy Brown“ fix ins Stromlose.
„Nach einem ersten Schreck war das wunderbar – und auch so etwas wie ein Weckruf, sagt Mika. „All die kleinen Zufälle, die am Anfang einer musikalischen Karriere stehen, gehen mit der Zeit verloren. Du stehst Abend für Abend auf der Bühne und machst das Gleiche. Zwischendurch ein Videodreh, irgendwann die nächste Platte solche Regeln sind so deprimierend, dass ich sie einfach brechen musste.“ Bedeutet: Bevor’s im Herbst mit dem neuen Album, großen Songs und großen Gesten wieder Richtung Pop-Olymp geht, gibt’s jetzt die Akustik-EP SONGS FOR SORROVf die ist nur über Mikas Homepage zu beziehen und kommt in der physischen Variante mit einem exklusiven Buch voller Illustrationen von Künstlern wie Paul Smith, Peter Blake und Jim Woodring daher. „Die Plattenfirma hasst mich dafür“, sagt Mika und lacht. “ Die EP ist auf 10.000 Stück limitiert mein Label verdient daran also keinen müden Cent. Und jetzt hat es einer der Songs auch noch in die Heavy Rotation von Radio 2 geschafft! Deren Publikum ist eher älter. Das versteht nicht, dass es etwas hören, aber nicht im Laden kaufen kann.“
SONGS FOR SORROW zeigt Mika als Meister des fiesen Feingefühls.
So verspielt, so „Die Forelle“-esk die gemeinsam mit Owen Pallett (Final Fantasy) aufgenommenen Songs klingen mögen – in den Texten tun sich Abgründe auf. In „Toy Boy“ geht es um eine Puppe, die nach diversen amourösen Verirrungen zum Voodoo-Werkzeug wird, „Lady Jane“ ist eine Fabel über eine Frau, die sich nach dem Ertrinken ihres Lovers die Füße abhackt und ein Leben unter Wasser führt. „Das bezieht sich alles auf alte Kinderlieder“, erklärt Mika, der mit der EP eine Brücke zwischen dem Debütalbum und dessen Nachfolger schlagen will: „Meine erste Platte hatte viel mit dem zu tun, was wir als Kinder erzählt bekamen. Auf dem neuen Album geht es um das Heranwachsen, die Teenagerzeit die Phase, in der man erkennt, wie brutal und archaisch all diese Geschichten eigentlich sind.“
www.mikasounds.com