Kritik

„What We Do In The Shadows“ (Staffel 2) bei Joyn: Ein vampirisches Vergnügen


Wie würden Vampire in unserer heutigen Welt leben? Die zweite Staffel „What We Do in the Shadows“ spinnt das Erfolgsrezept des Films weiter. Ob das sich weiterhin trägt, erfahrt Ihr hier.

Diese Serie müsste es eigentlich nicht geben. Der Film „What We Do in the Shadows“ erfrischte 2014 mit seiner Vampir-WG, dann erschöpfte sich dieser Clash zweier Welten aber auch. Als der Sender FX die Vampire aus Neuseeland nach Staten Island nahe New York beförderte, schien das wenig nachvollziehbar. Kann ein starkes Konzept nicht einmal für sich stehen, ohne sofort ausgeschlachtet zu werden? Doch in der ersten Staffel überzeugte die Comedy, weil sie den Ton des Films traf und gleichzeitig genug Neues bieten konnte. Schließlich beteiligen sich auch die Filmmacher Jemaine Clement und Taika Waititi.

Energievampir Colin lässt andere im Gespräch verbluten

Wie im Film handelt auch die Serie von einer WG. Da wäre der über 700 Jahre alte Nandor (Kayvan Novak), der bisexuelle Laszlo (Matt Berry), immer interessiert an neuen Bekanntschaften, und seine Frau Nadja (Natasia Demtriou). Als wohl intelligenteste Person im Haus schwankt sie zwischen Zynismus und plumpen Beleidigungen. Außerdem hat die Serie den Energievampir Colin (Mark Proksch) kreiert. Er begibt sich auch tagsüber unter Menschen und redet solange auf sie ein, bis sein Energiedurst gestillt ist. Gewissermaßen der vampirgewordene nervige Kollege, der bei jeder Runde durchs Büro von seinem Wikipedia-Wissen oder automatischen Rasenmähern erzählt. Vermutlich kennt jede*r einen echten Energievampir.

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Der heimliche Star ist allerdings kein Vampir, sondern ein Mensch. Gehilfe Guillermo (Harvey Guillén) hofft, dass Meister Nando ihm das ewige Leben schenkt und ihn zum Vampir macht. Guillermo entsorgt Leichen im Vampirhaus, wischt Blut weg und erntet dafür wenig Dankbarkeit. Nebenbei stellt sich Guillermo als Nachfahre Van Helsings heraus. Wenig zufällig scheint es daher, dass er in der ersten Staffel den alten Vampirbaron Afanas (Doug Jones) um die Ecke gebracht hatte, als er die Tür aus Versehen öffnete und Sonnenstrahlen ins Haus ließ. Wegen Afanas gelangten die Vampire überhaupt nach Amerika. An sich trug er ihnen auf, die Welt zu erobern. Bisher hat das eher weniger geklappt.

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„What We Do in the Shadows“ kombiniert flache Gags mit typischen Mockumentary-Einlagen. Besonders schön zu sehen ist, wie die Serie immer wieder die Fallhöhe zwischen den ewig lebenden Wesen in der modernen Welt aufzeigt. Bei den Nachbarn vermuten die Vampire ein Eulenfest und besuchen sie für ihren „Superbowl“, bei einem Musikabend spielt das Paar Laszlo und Nadja als „totally human band“. Und Colin entdeckt Online-Trolling als weitere Energiequelle, bis er in einem Troll seinen Meister findet und ihn im echten Leben konfrontiert.

Auch für Filmfans geeignet

Einfälle wie diese, überhaupt Colin als Energievampir, erweitern den Filmkosmos intelligent und tragen den Humor weiter. Ohne Zweifel wird Filmfans auch die Serie gefallen. Klar steht der neuseeländische Kultfilm auch für sich, doch dank der Serie werden ihn viele überhaupt entdecken. Und da Creator Clement stark involviert ist und bestätigt hat, dass die Serie im selben Universum wie der Film spielt, bleibt der Geist des Originals erhalten. „What We Do in the Shadows“ ist alles andere als eine billige Amerikanisierung.

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In der stärksten Episode von Staffel 2 flüchtet Laszlo vor einem Vampir, bei dem er einst wohnte und bis heute die Kaution zu zahlen vergessen hat. Verfolgt von Jim the Vampire (Mark Hamill) legt er sich eine neue Identität als Barkeeper „Jackie Daytona“ zu. Seine Tarnung: ein Zahnstocher. Binnen kürzester Zeit mutiert er zum beliebtesten Bürger und verbirgt seine Identität äußerst geschickt – den Spiegel in der Bar deckt Laszlo ab, eigene Getränke (alles außer Blut vertragen Vampire weniger gut) schüttet er in einem ruhigen Moment weg, und der Zahnstocher ist natürlich eine perfekte Verkleidung. Das ortsansässige Volleyballteam führt Laszlo ebenso zum Erfolg, bis Jim ihn schließlich doch aufspürt und die Kaution einfordert.

Diener for none

Unterdessen hat Guillermo das Gehilfe-Dasein satt, flüchtet zu anderen Vampiren, kehrt zurück und erkämpft sich erstmals Urlaubstage. In der zweiten Staffel gewinnt er, wissend um die Van-Helsing-Gene, an Selbstbewusstsein. Zudem muss er sich gegen den Drang erwehren, die Vampire nahe sich zu verletzen. Doch da der hohe Vampirrat erfährt, dass der Baron im Vampirhaus starb und Vampire töten ungern sieht, könnten Laszlo, Nadja, Colin und Nandor einen Vampirjäger ja ganz gut gebrauchen. Und schließlich will Guillermo sich nicht ewig ausnutzen lassen. Die Beziehung zu seinem Meister Nandor verschiebt sich, Guillermo könnte ihn in jedem Moment töten. Bewusst entscheidet er sich jedoch dagegen.

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Bleibt die Frage, ob es die Serie tatsächlich braucht. Ob die Idee weitaus länger über den Film trägt, bald dann in einer dritten Staffel, die FX bestätigt hat. Bisher lautet die Antwort: ja. Energievampir Colin ist kein one-trick-pony, sondern findet immer neue Wege, andere förmlich in den Schlaf zu reden, bis er gar Chef in seinem Büro wird. Guillermo, als Mensch die Identifikationsfigur, emanzipiert sich. Und bisher hat die Serie genug neue originelle Ideen, seien es Elvis Presley in Vampirform, Hexen oder Geister – an letztere glauben die Vampire selbstredend nicht. Auch Gaststars wie Craig Robinson („Mr. Robot“, „Brooklyn Nine-Nine“, „The Office“) und Mark „Luke Skywalker“ Hamill setzen neue Akzente. In diesem Sinne darf man sich auf die dritte Staffel freuen. Schließlich ist „What We Do in the Shadows“ eine der besten Comedys, die man aktuell sehen kann.

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„What We Do in the Shadows“ (10 Folgen à 25 Minuten) läuft seit dem 13. August 2020 bei Joyn.