Wenn einer eine Reise tut…


... dann kann er eine tolle Platte machen. Zumindest, wenn er so gut ist wie zum Beispiel die Herren von Wolf Parade.

Bevor wir at mount zoomer gemischt haben“, sagt Wolf-Parade-Gitarrist/Sänger Dan Boeckner, „war ich mit den Handsome Furs in Europa auf Tour, und unser Tourmanager spielte uns dauernd diese europäische Musik aus den frühen 70ern vor. Roxy Music, Neu! …Und das hat bestimmt einige Songs auf der Platte beeinflusst. Das soll nicht heißen, dass sie wie Neu! klingen, aber ich mag die Ästhetik des Artrock der frühen 70er sehr gern.“

Hört sich so an, als ob Boeckner, der mit Keyboarder/Sänger Spencer Krug den Kern von Wolf Parade bildet, damit einverstanden wäre, wenn man ihre Musik als Prog Rock bezeichnet. „Mit diesem Etikett habe ich kein Problem. Ich finde aber nicht, dass wir wie The Mars Volta klingen.“ Zum Glück, mag sich so mancher denken. Natürlich lässt sich Wolf Parades Vorliebe für sphärische Sounds nicht von der Hand weisen. Sie übertreiben es damit aber auch nicht, sondern bemühen sich stets, ihren wabernden Synthies und züngelnden Gitarren eine gewisse Eingängigkeit zu verleihen. Sonst hätte es ihr zweites Album nach dem Debüt apologies to queen mary ja auch kaum zur „Platte des Monats“ im ME gebracht. Von einem Thema kann Boeckner allerdings nie genug kriegen: Gleich mehrere Songs auf der neuen Platte drehen sich um ein Gefühl der Entfremdung, das mit dem Leben in großen Städten einhergeht. „Davon bin ich irgendwie besessen. Auf diesem Album geht es viel darum, wie ich mit den Handsome Furs durch Europa gereist bin. Der Song,The Grey Estates‘ erzählt zum Beispiel davon, wie wir den Zug von Helsinki nach Moskau nahmen. Das war die seltsamste Zugfahrt, auf der ich je war. Mir fiel dieser Kontrast zwischen den Menschen, die in diesen heruntergekommenen Wohnblöcken der Sowjet-Ära leben, und dem reichen Moskau so stark auf, das viel moderner ist als die modernste kanadische Stadt. Das hat wirklich einen tiefen Eindruck auf mich gemacht.“

In Montreal dagegen gibt es keine große Kluft zwischen den Gesellschaftsschichten, sonst wäre Boeckner wohl längst in die kanadische Einöde gezogen. Und sonst würde die dortige Musikszene auch nicht so gedeihen. Als Einwohner der größten Stadt Quebecs kann Boeckner die Aufregung über die ergiebige kanadische Szene zwar nachvollziehen, attestiert den begeisterten Journalisten aber auch eine gewisse Wahrnehmungsstörung: „Es ist keineswegs so, dass es in Montreal tausende Bands gibt. Es gibt da einfach immer wieder sehr große Bands, und das obwohl Kanada demografisch ein ziemlich kleines Land ist. Das hat dann zur Folge, dass sich alle Leute, die dort im Indie-Rock etwas zu sagen haben, untereinander kennen. Daher diese Illusion eines gewaltigen Kollektivs kollaborierender Künstler. In Wahrheit sind es einfach ein paar Nachbarn.“

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