Wechseljahre


Auch Teen-ldole kommen In die Jahre. Mit viel Mut zum Risiko wagen Duran Duran einen neuen Anfang. Statt Glamour und Klatsch soll nun endlich Musik Im Mittelpunkt stehen. Sylvle Slmmons sprach die Band, die endlich erwachsen werden will.

Wo die Verpackung aufhört und die Musik anfängt, ließ sich bei Bands wie Duran Duran nie so recht festlegen — dazu war die Verpackung schon bei ihrem Debüt mit „Planet Earth“ (1981) viel zu perfekt: eine Kreuzung aus Jet-Settern und den netten Jungs von Nebenan, männliche Wangenknochen, die sich gerade durch den Babyspeck bohrten — und dazu eine „Mischung aus Kraftwerk und den Monkees“, wie sie sich selbst beschrieben. Duran Duran bekamen einen Plattenvertrag von derselben Firma, die der Welt schon die Beatles und die Sex Pistols beschert hatte, und nun sollten sie es mit den häßlichen Überbleibseln des Punk und den noch häßlicheren Gary Numans aufnehmen. Das konnte im Grunde gar nicht schiefgehen …

Die Musikpresse haßte sie natürlich, obwohl sie für die Schreiber allenfalls Opfer waren, keine Gegner. „Fünffeite, flache Futuristen“, höhnte der „New Musical Express“, während die Mädels kreischten, ihre Platten kauften und sie zur besten Band aller Zeiten wählten.

Anders als die meisten Teen-Bands, die sich um Kritiker überhaupt nicht kümmern, sondern still ihr Geld zählen, versuchten die Durans immer wieder, die Musikpresse auf ihre Seite zu bringen und sie davon zu überzeugen, daß sie eine echte Live- und Rock-Band waren. 1984 brachten sie sogar ein echtes Live- und Rock-Album heraus – vergebene Liebesmüh!

Also heirateten sie schließlich doch ihre Models, fuhren bei Segel-Regatten mit, brachten Bücher mit trendy Fotos heraus, traten in „Miami Vice“ auf und frönten ihren musikalischen Neben-Jobs: die eine Hälfte bei den Synthie-Poppern Arcadia, die andere mit Bernard (Chic) Edwards, Robert Palmer und Power Station.

Zu diesem Zeitpunkt hatte man sich schon so an ständige Dementis von Trennungsgerüchten gewöhnt, daß es kaum einer bemerkte, als sich Schlagzeuger Roger Taylor tatsächlich heimlich davonmachte, um als Farmer zu arbeiten; lautstark gefolgt von Gitarrist Andy Taylor, der’s auf eigene Faust versuchen wollte. Die drei Verlassenen — Simon Le Bon, John Taylor und Nick Rhodes — blickten zwar etwas waidwund und verkniffen vom Cover ihres ersten Trio-Albums NOTORIOUS, spielten gleichzeitig aber selbstbewußter, experimenteller und erwachsener denn je.

Ihre alten Fans, die Teenager, blieben dabei natürlich auf der Strecke. NOTO-RIOUS brachte ihnen die bisher miesesten Verkaufszahlen — und gleichzeitig die ersten guten Kritiken. „Wir haben immer Witze darüber gerissen“, grinst John Taylor. Er sitzt konzentriert auf dem Sofa eines Übungs-Studios außerhalb von London — in die andere Ecke fläzt sich ein gereizter Simon Le Bon. „Unsere erste Single, die positive Kritiken bekam, war.SkinTrade‘ (1987) — unddiehat sich überhaupt nicht verkauft. Also haben wir ständig Sprüche darüber gemacht, daß wir hoffentlich nie wieder gute Kritiken kriegen!“

Die Trennung von Roger und Andy gab ihnen die Möglichkeit, auch musikalisch neue Wege zu gehen. Trotzdem war zumindest Andy indirekt nach wie vor präsent: Erst versuchte Simon ihn immer wieder umzustimmen, was Andy ihm aber nur mit bösen Attacken in Interviews dankte. Schließlich hetzte er den Rest-Durans sogar seine Anwälte auf den Hals. „Wir haben uns mit dem Album tierisch beeilt, weil wir es so schnell wie möglich draußen haben wollten: mit einem Fow von uns dreien und dem Namen Duran Duran“, lacht John. „Nachher waren wir ganz schön geschafft, aber der Name gehört uns immer noch. Wir wußten, daß uns keiner was wegnehmen kann und daß Duran Duran genau das ist, was wir drei draus machen.“

„Wir kommen jetzt viel besser miteinander klar“, meint Simon. „Andy war immer der Stein des Anstoßes. Aber der Name mußte bleiben, unter dem wollte ich unbedingt weitermachen, weil er für zehn Jahre steht, auf die ich absolut stolz bin — auf alles!“

Also auch auf den James Bond-Glamour, der sich vor allem in den todchicen Videos niederschlug?

„Punk ist doch gleich in der Gosse wieder verreckt, sobald die erste Band einen verfluchten Plattenvertrag unterschrieben hatte“, wettert Simon. „Wir paßten damals halt zu einer Strömung, die sich zunehmend wieder für modische Aspekte interessierte. Wir waren ein Symptom, aber nicht die Ursache …“ „… und dazu kam eine gewisse Naivität“, ergänzt John. „Die Leute wollten nun mal wissen, welche Autos wir fahren, mit was für Mädchen wir ausgehen — also ha¿

ben wir’s ihnen erzählt.“

„Dann kamen ein paar Jungs und fragten: ,Hey, wollt Ihr ein Video auf einem Boot in Antigua drehen?'“, fährt Simon fort.

„Das war alles“, schließt John.

,.Und während wir uns damit imagemäßig ans Messer lieferten, hallen wir nicht mal halb soviel Spaß, wie alle Leute dachten,“

Inzwischen hat Simon das Segeln völlig aufgegeben und brav geheiratet (okay: seine Frau ist Model), trotzdem behandelt ihn die Klatschpresse immer noch als pfauenhaften Playboy: Heute wird über Affären mit anderen Models geschrieben, morgen über ausschweifende Parties in teuren Londoner Restaurants, wo er angeblich den Larry macht und mit Essen um sich wirft.

„Darüber rege ich mich schon ?ar John. Simon. Nick, v l Kein Blick mehr zurück nicht mehr auf, zuckt Simon die Achseln. „Auch wenn wir als Band nicht so gefragt waren, haben sich die Leute immer für uns interessiert.“

Alben brauchten sie eigentlich längst keine mehr zu machen… Wenn wir wollten“, bestätigt Simon, „könnten wir den Rest unseres Lebens zufrieden und angenehm leben …“

„Aber wir leben alle für die Musik“, wirft John ein. “ Wir kümmern uns um nichts anderes mehr: Autos und Boote sind nicht mehr so wichtig wie vor fünf Jahren: aus dem Alter sind wir raus.“

Zum Beweis erschien Ende Oktober, 2 Jahre nach NOTORIUS. das neue Album BIG THING. Anspruchsvoller Hi-Tech-Pop mit Dancefloor-Einschlägen. Nach unangekündigten Warm-up-Gigs in US-Clubs, wollens die Duranies ab Mitte November auch in Europa live wissen. Sentimentaler Tourneeschluß: Der Gig am 24.12. in der Duran-Heimatstadt Birmingham.

Daß ihr altes Publikum inzwischen von Bros, vereinnahmt wurde, stört sie nicht (“ Viel Glück! Lieber Bros, als Kylie Minogue“): sie vertrauen auf eine andere Generation. Aber kann Duran Duran nach der Pubertät genauso erfolgreich sein wie vorher?

„Wir haben nie sooo viele Platten verkauft“, meint John. „Junge Mädchen haben uns öfter fotografiert als unsere Platten gekauft. Des¿¿ halb: Ja sicher, wir können!“