Vom Eigenen Planeten


Dass die Musik von Gemma Ray irgendwie hypnotisch klingt, hat triftige Gründe.

Früher oder später zückt Gemma Ray das Messer. Dann liegt aber für gewöhnlich nicht Ärger, sondern ein spaciger Sound in der Luft, wenn sie mit der Klinge ihre Gitarre bearbeitet. „Das gibt einen tollen Drone-Sound“, erklärt die Endzwanzigerin. „Die Idee hatte ich mal, als ich mir noch kein Keyboard leisten konnte, und es ist seitdem ein Lieblingssound von mir.“

Die ungewöhnliche Technik gibt nicht nur einen Hinweis auf die Klangabenteuer auf Rays Alben (60s-Girlgroup-Pop trifft verspulte Psychedelia mit einem Fuß auf den Effektpedalen von My Bloody Valentine). Sie ist symptomatisch für Gemma Ravs „Do it yourself-Elan“ Ich bin ohne viel Musik aufgewachsen“, erzählt die Wahl-Londonerin über ihre Kindheit im ländlichen Essex, einer „kulturellen Brache“. Mit 14 fing sie an, sich selbst Gitarre beizubringen, schrieb sogleich erste Songs und fand Anschluss an eine Clique älterer Kids, die sie mit 60s-Psychedelia, Soul, Grunge etc. bekannt machten und ihr „eine ganze neue Welt“ eröffneten. “ Wir haben uns unsere Szene selbst gemacht. Wir mieteten uns zwei Garagen in einer Zigeunersiedlung, stopften sie mit Gitarren und Drums voll, machten Musik und wohnten da zum Teil auch. Diese zwei Räume waren unsere eigene Welt, unser Planet.“

2000 zog Ray nach London, mit so diversen Vorlieben wie John Barry, Gershwin, Beach Boys, Super Furry Animals und Bo Diddley, einer Hochachtung für Bands,“iÄe 100.000 Prozent Gas geben und den Bogen überspannen“ und dem eigenen Modus Operandi: „Ich liebe es, große Breitwand-Mega-Dramen in Drei-Minuten-Songs zu quetschen. “ Ray war dabei, sich mit dem liebevollen, aber brotlosen Selber produzieren von CDs – inklusive handgemachter Hüllen – zu verzetteln, als ihr 2006 eine Blutvergiftung ein neues Lebenstempo verordnete. “ Ich war monatelang ausgeschaltet. Wenn man nicht aus dem Haus gehen kann, muss man sich etwas suchen, für das es sich lohnt, morgens aufzustehen. So bin ich eine viel entschlossenere Songwriterin geworden.“ Restlos gesund ist Gemma Ray immer noch nicht, aber auch dem gewinnt sie Vorteile ab. „Ich muss regelmäßig Pausen machen bei A ufnahmen, was Struktur und Perspektive gibt. Und ich mache eine Selbsthypnose-Therapie. Das hilft sehr, weil es dich klar im Kopf macht—etwa beim Mischen. Da tüftelt man oft an einem Problem rum und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Aber dann komme ich von meiner Hypnosepause zurück, höre den Track und weiß genau, was zu tun ist. „