Tove Lo im Video-Interview: Über das Entdecken und Feiern der eigenen Weiblichkeit
Wir sprechen mit der schwedischen Popsängerin über toxische Körperbilder, die Stigmatisierung von Popmusik und wie man Stärke in der eigenen Weiblichkeit findet. Schaut hier rein!
Tove Lo wirkt entspannt, als sie morgens um zehn Uhr zum Video-Interview erscheint. Sie trägt einen gemütlich aussehenden Jumpsuit, hält einen Kaffeebecher in der Hand und fragt freundlich, ob sie während des Interviews daraus trinken darf. Darf sie natürlich. Die schwedische Popmusikerin wird am Abend ein Konzert im Berliner Astra Kulturhaus spielen, einen Monat zuvor ist ihr fünftes Album DIRT FEMME erschienen. Auf die Frage, was der Titel für sie bedeutet, antwortet Tove Lo: „Generell identifiziere ich mich einfach so. Die Platte hat dieses überlagernde Thema meiner Beziehung zu meiner Weiblichkeit, und ich glaube, so bin ich auch dort gelandet.“ Zum allerersten Mal habe sie ihre weiblichen Züge als Stärken und nicht als Schwächen wahrgenommen, erzählt sie. Das war allerdings nicht immer so.
Schaut Euch hier das ganze Video-Interview an:
„Früher war ich das einzige Mädchen im Raum“, erzählt Tove Lo. „Wenn ich in diesem Raum war und meine männlichen Züge ausspielte, respektierten sie mich und hörten mir mehr zu.“ Flashback zurück in das Jahr 2014: ein Song dominiert die internationalen Radiostationen. Mit „Habits (Stay High)“ landet Tove Lo, damals 27 Jahre alt, einen Überraschungshit. Es wird einer der meist-gestreamten und -gespielten Songs des Jahres. In dem Lied singt die Künstlerin schonungslos ehrlich, wie sie sich nach einer schlimmen Trennung in einen Dauerrausch versetzt, um den Schmerz zu betäuben. Im dazugehörigen Musikvideo sieht man sie durch verschiedene Clubs torkeln, auf der Toilette weinen, mit fremden Menschen knutschen.
„Habits (Stay High)“ verschafft ihr in der Presse den etwas irritierenden Namen „saddest girl in Sweden“. „Früher habe ich das als eine Art Kompliment aufgefasst“, erzählt die Sängerin, die eigentlich Ebba Tove Elsa Nilsson heißt. „Damals hatte ‚traurig sein‘ in der Popmusik viel mit Ehrlichkeit in der Musik zu tun. Die Leute sagten: „Warum musst du so viel von dir preisgeben? Das ist doch peinlich.“ In dem Song steckt eine Menge selbstzerstörerisches Gedankengut. Und ich glaube, das war zu dieser Zeit sehr ungewöhnlich.“
Bis heute zeigt sich Tove Lo in ihrer Musik verletzlich und offen – in ihrem neuen Track „Grapefruit“ singt sie zum allerersten Mal von der Bulimie-Erkrankung, die sie als Jugendliche jahrelang begleitete. Das Stück „Suburbia“ wiederum beschäftigt sich mit der Frage, wie man es schafft, trotz Ehe nicht in die Spießigkeit abzurutschen. „In der Popmusik ist es einfacher, wenn man nur eine Botschaft hat, weil man die Leute in Schubladen stecken will“, sagt Tove Lo. „Und ich glaube, wenn man sich selbst als vollständiger und komplexer Mensch zeigt, sind die Leute etwas verwirrt.“
Das Album DIRT FEMME von Tove Lo ist am 14. Oktober 2022 erschienen. Hier könnt ihr es im Stream hören: