The Vines Köln, Gebäude 9
Der erste Vorab-Gig der Australier läutet die Winning Days noch nicht recht ein.
Schlagzeug von Gitarre angegriffen. Sänger zu Boden gegangen. So knapp könnte das Fazit des bislang einzigen Deutschland-Konzerts der Vines lauten. Was die Vines dem Kanon der Zerstörung in der Rockmusik sonst hinzuzufügen hatten, lässt sich mit drei Worten sagen: „Fuck The World“. Eigentlich klang die Hälfte der Songs so. als wären sie um das F-Wort gebaut, die Vines spielten in einem selbst gedrehten Wutfilm, der 16-jährige Mädchen nach Vorstellungsende aber schnell zu den T-Shirt-Verkäufern eilen ließ. Es gab gute und weniger gute Songs in diesem Film. „Ride“, die durch MTV-Powerplay angefeuerte neue Single, ragte mit schlanken Chorsätzen aus dem reißenden Gitarren-Orkan hervor. Die Vines haben ihre Wirkung von Anfang an nicht verfehlt: Ihr Debüt-Album highly evolved verkaufte sich innerhalb von knapp 20 Monaten weltweit 1,5 Millionen Mal. Der Titel des Zweitwerks scheint im Zugwind dieser Erfolgsgeschichte und des andauernden Rock-Hypes geschrieben zu sein: winning oays. Doch das wissen die Vines: Eine gute Rockband ist anno 2004 immer auch eine gebrochene Rockband. Davon konnten sich die Fans im ausverkauften Gebäude 9 überzeugen. „The winning days are gone“ sang Craig Nicholls mit dem ihm eigenen Talent zum Weinen, und in weitaus stärkeren Momenten wurde aus dem Weinen nahezu bruchlos ein Schreien und Kreischen. Die Band zog solide mit. Die Bilder, die dazu geliefert wurden, entstammten der Grabbelkiste des Teen-Angst-Pop: Nicholls fasste sich mit den Händen an den Kopf, als hätte er starke Schmerzen auszuhalten, irgendetwas tobte und zerrte in diesem Körper. Vielleicht handelte sich auch nur um die Pein, die der Künstler während der gerade stattfindenden Promotion-Tour zu ertragen hat: Ein Interview soll er nach Minuten abgebrochen haben, als ein Kollege einsprang, war ihm das auch wieder nicht recht. Die Balladen und Midtempo-Stücke, die einen nicht kleinen Teil des Vines-Repertoires ausmachen, sorgten für Kontrapunkte, schienen fast ungehört durch die Halle zu plätschern. Als wollte die Band sagen: Nur zur Erinnerung, das können wir auch. So weit, so nett, so unspektakulär.
Man kann die Hälfte des besseren Teils der Rockgeschichte bei den Vines als Vergleich anführen, die Gitarre, die Craig Nicholls zwischenzeitlich spielte, stammte aus einer Zeit, als Strom noch nicht gelb war und die Gitarren bei Neil Youngs Crazy Horse antrieb. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Vines immer schon vorgewarnt haben: „It’s 1969 in my head“ heißt es in einem Songs vom Debüt, „I just wanna have no place to go/l’m living through the sound of the dead“. Zur weiteren Begutachtung ist eine ordentliche Tournee im Frühjahr ausgeschrieben.