The Time: der Zeit voraus


Prince hatte sie entdeckt, doch sein übermächtiger Schatten war es auch, der 1984 zum Bruch der Band führte. Warum der Funk-Clan aus Minneapolis die damals gerissenen Fäden nun wieder aufnehmen will, erfuhr ME/Sounds-Mitarbeiter Jörg Feyer im Gespräch mit Morris Day & Co.

Schnieke sieht sie wieder aus, die Time-Delegation, selbst an diesem stinknormalen Promo-Tag. Morris Day hat sich für knallroten Lack-Slipper unter einem dunklen Anzug entschieden. Jerome Benton flaniert pretty in pink durch die Hotel-Lobby. Und Jimmy Jam, mit sorgsam gebundenem Pferdeschwanz zu dezentem Grün, spielt voller Hingabe mit seiner Auto-Focus-Zoom, während er einen Vergleich aus der Sportwelt bemüht: „Als wir weg waren, nahm niemand unseren Platz ein. Wir legten den Bali aufs Feld, doch keiner kam. Sie ließen ihn alle liegen.“ Also – was blieb ihnen schon anderes übrig? – griffen sich The Time selbst wieder das Leder.

Jam und Terry Lewis hatten sich schon vor dem Schwanengesang ICE CREAM CASTLE (1984) von The Time verabschiedet; spätestens nach Janet Jacksons Platin-Seiler CONTROL spielten sie als Produktionsteam hochdotierte Feuerwehr für etliche Plattenfirmen. Nicht ganz so dumm und dämlich verdienten sich die ebenfalls produzierenden Monte Moir und Jellybean Johnson: Gitarrist Jesse Johnson brillierte nach dem Split mit herausragenden Solo-Alben, und Jerome Benton sang u.a. auf der Prince’schen „Parade“-Tour.

Ein entnervter Morris Day gab seinen Abschied von der Prince-Minneapolis-Mafia ganze zwei Wochen nach der Premiere von „Purple Rain“ bekannt: nur aus Rücksicht auf andere Mitwirkende, so Day später, habe er die Bombe nicht schon mitten in den Dreharbeiten platzen lassen.

Die Gerüchte um eine Reunion (sie selbst bevorzugen „Fortsetzung“) „waren da, bevor wir selbst dran dachten“ (Jimmy Jam) und verdichteten sich zusehends, als The Time 1987 anläßlich der „Minnesota Black Music Awards“ für eine Live-Show wieder zusammenfanden. Etwa zur selben Zeit produzierten Jam & Lewis auch zwei Songs für Days zweites Solowerk DAY-DREAMING. „Dan“, sagt Day heute, „hat definitiv unsere Augen geöffnet. Wir realisierten, daß wir die Reunion wirklich wollten. „

Day hält kurz inne, brüllt dann plötzlich los: „DA! Hab ich tatsächlich“ (er klatscht in die Hände, guckt verschämt zu Benton rüber) „Reunion gesagt?“ Alle drei biegen sich vor Lachen.

Stellte sich nur die Frage: wie halten sie’s mit dem Prinzen? Früher galten The Time als sein Lieblingsspielzeug; er hatte sie „entdeckt“, ihnen den Plattendeal verschafft – und unter dem Pseudonym Jamie Starr auch kräftig mitgemischt. „Damals war Prince der Boß“, erklärt Jimmy Jam unumwunden, „heute ist er ein gleichberechtigter Partner. Seine Beteiligung war nicht unbedingt notwendig.“

„Unbedingt“ zwar nicht, doch The Time fragten artig an, ob seine Majestät nicht doch Zeit und Lust habe, schließlich wollten „wir wieder diesen alten Sound, von dem Prince ein Teil war.“ Der „freute sich zwar, daß wir wieder zusammenkommen“, zeigte seinem alten Projekt jedoch dann die kalte Schulter, als es um eine direkte Beteiligung ging.

Wenig später überraschte er The Time dafür mit seiner Offerte für ein neues Filmprojekt. Morris Day: „Es hieß nur: .Ich will euch in einem Film, der von The Time handelt, aber selbst nur eine kleine Cameo-Rolle spielen.‘ Wir waren mitten in den Aufnahmen zu PANDEMONIUM und dachten: ‚Cool – das hört sich gut an!‘ Doch als wir das fertige Script lasen, dauerte es bis zur Hälfte, ehe unsere Namen überhaupt das erste Mal auftauchten (lacht).

Also wurde es“. Day räuspert sich, „‚Graffiti Bridge'“, vollendet Jerome Benton den Satz. Day: „… ein Prince-Fihn mit einer Cameo-Rolle für The Time. Da sagten wir uns. daß wir vielleicht doch ein bißchen mehr involviert sein sollten, wenn es eigentlich um uns geht. Wir sind jetzt gerade dabei, das mit einem eigenen Film nachzuholen. „

Der eigene Film hält The Time nun also vorläufig mal ganz schön auf Trab. Eine US-Tour? Vielleicht. Schließlich lauern hinter der Band auch schon wieder die Solo-Projekte. Jimmy Jam und Terry Lewis wollen im nächsten Jahr auf jeden Fall endlich ihr eigenes Label lancieren – natürlich nur mit richtigen Bands, die auch richtig spielen können.