The Singles


Man muss schon sagen, dass „Without Lies“ (Eskimo Recordings/Rough Trade) einer der besseren Tracks des Aeroplane-Debüts WE CAN’T FLY ist. Was vielleicht auch am bezaubernden Gesang von Sky Ferreira liegt, die der belgische Produzent Vito De Luca ins Studio geholt hat. Die 12-Inch kommt mit zwei Remixen. Der von Black Van (= Kowe Six von Moonbootica und Kris Menace) funkelt discoid herum, während der von Breakbot aus dem Ed-Banger-Dunstkreis irgendwo zwischen gemäßigter Uffie und dekonstruiertem Philly-Sound zuhause ist.

Uiuiui, was ist denn bloß mit Anajo los? Bei der aktuellen Single „Mädchenmusik“ (Tapete/Indigo), nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Rubrik in diesem Heft, handelt es sich um einen sort-of-Punk-Rocker, den wir von den Augsburgern so noch nicht gehört haben. Und textlich ist das eine Aneinanderreihung von selbstironisch dahingerotzten autoreferenziellen Topoi. Gut finden wir das, sehr gut sogar. Das neue Anajo-Album folgt demnächst.

Ist das noch Dubstep? Oder schon der Übergang ins Post-Dubstep-Zeitalter? Was James Blake auf seiner aktuellen EP „Klavierwerke“ (R & S) macht, hat mehr mit den mikrotonalen Transzendentationen seiner Kollegen von Mount Kimbie zu tun als mit dem, was man gemeinhin unter dem Begriff Dubstep verstehen will. Die Musik des Produzenten aus London basiert zwar eindeutig auf mikrodubbigen Elementen, wird aber zur Einmaligkeit durch allerhand schlau designte Grooves und zerschnittene, abgehackten Vocals und die Abwesenheit allzu subsonischer Bässe. Ja, und das Klavier spielt auch eine Rolle auf dieser EP.

Es ist langsam Zeit für die Wiederbelebung des musikalischen Eklektizismus von Ende der Siebziger/Anfang der 80er-Jahre, der aus Ermangelung einer leicht(er) zu etikettierenden Schublade als „New Wave“ bezeichnet wurde. Anna Calvi, Musikerin aus London, nimmt sich auf „Jezebel“ (Domino/Good To Go) einem Song an, der von Wayne Shanklin geschrieben und von Edith Piaf in den Fünfzigern popularisiert wurde – eine Mischung aus Chanson, Tango, Kunstlied und The Last Shadow Puppets. Die Eigenkomposition „Moulinette“ auf der B-Seite: ein nicht ganz so spinnertes Vaudeville-Chanson.

Das ist ja mal was: ein rockendes Electro-Duo aus Frankreich, das mit 70er-Jahre-Pornoästhetik spielt und seine Single „Sex Is Fashion“ (Peermusic/Discograph/Alive) nennt. Thomas Priem und Sylvain Przybylski tun als Curry & Coco genau das und setzen einen drauf mit einem fake english accent. Das ist upgespeedeter Frenchhouse, der mehr sein will als Sebastien Tellier und sich nicht ganz traut, Justice zu sein. Aber nach dem fünften Bier im Club dürfte das auch relativ wurscht sein.

Remember Grandmaster Flash? Chiddy Bang, ein Duo aus Philadelphia, führt den HipHop auf seine guten Tugenden von vor 30 Jahren zurück, auf seine Funktion als Partymusik, die sich aus allen möglichen musikalischen Quellen die besten Breaks zusammensampelt. Am besten wird das deutlich in „Opposite Of Adults“, das sich heftig bei „Kids“ von MGMT bedient. „The Preview“ (Regal/EMI) ist der Appetitanreger in EP-Form für das Album SWELLY LIFE, das Anfang 2011 erscheinen soll. Neben den drei bisherigen Singles („Opposite Of Adults“, „Truth“, „The God Life“) enthält die EP fünf weitere Tracks mit u.a. Pharrell, Q-Tip und Darwin Deez als Gastmusiker. Chiddy Bang verbinden die Verfahrensweise von Oldschool-Hip-Hop mit den Erkenntnissen von Electropop und Rock, Dubstep und noch ein bisschen mehr. Und, wie gesagt, sehr party ist das sowieso.

Wir erwähnten ja bereits, dass es sich bei The Hundred In The Hands um einen der aufregendsten Acts handelt, der aktuell im Niemandsland zwischen Electropop, Indie und Mutant Disco zu Gange ist. Die neue Single des Brooklyn-Duos, „Commotion“ (Warp/Rough Trade), kehrt die new-wavige, Kate-Bush-ige Seite der Band heraus. In den Remixen (Tiger & Woods und Capracara – of DFA-fame) wird das alles zum reinen electro-housigen bis dubbigen Vergnügen.

Der Titel der Debüt-12-Inch-Single von The Sorry Entertainers (Lotti und Raz Ohara) ist so falsch nicht. Ein bisschen was von „New Age“ (Shitkatapult/Alive) hat diese Musik schon, natürlich New Age, wie er auf ein Berlin-Freshness-Level shitkatapultiert wird. Das ist drei Tracks lang schöne verspulte Hippie-Psychedelia, die mit Techno nur noch am Rande zu tun hat