The Singles


Wir wollen ja den Leser nicht mit statistischen Daten langweilen, aber: neulich den („Jahreswirtschaftsbericht 2007“ des Bundesverbands Musikindustrie als PDF legal downgeloadet und gelesen. Ich kann Ihnen sagen: Es sieht düster aus für die Single. Ganz düster. Sie führt ein Nischendasein. Sie wird bedroht vom legalen und illegalen Download. Versuchen wir also das Eisen zu verbiegen, solange es noch lauwarm ist, und wenden uns Pit Baumgartner zu. Der Mann, der De:Phazz ist, covert auf „Phantomgesicht“ (New Formal/ Edel) die Titelmelodie der 7oer-Jahre TV-Serie „Der Kommissar“. Das ist ein ziemlich furchtbares, mit Gesang, O-Tönen aus der Serie, Scratches und Lounge-und-Trip-und-HipHop-Sounds überladenes Zeug, das dazu einlädt, Herbert Jarczyks Original wieder einmal zu hören.

Die okayen New Yorker Indie-Rocker The Boggs hätten kaum eine bessere Idee haben können, als einen der Tracks ihres okayen aktuellen Albums Forts remixen zu lassen. „Arm In Arm (Hot Chip Mix)“ (Tangled Upl/OneLittlelndian/RoughTrade) ist ein astreiner Hot-Chip-Acid-Electro-Dance-Popper geworden, zu dem der gelangweilte Gesang von Jason Friedman passt wie nur was. Die B-Seite heilst „Mra Ni Mra(Xim PihcToh)“ wohl dem, der, wie Kollege Rehm, fließend rückwärts lesen kann-und ist (hahaha) das Ganze nochmal in rückwärts.

Komisch, diese Single hatten wir schon im Januar 2007 besprochen. Jetzt liegt sie wieder auf dem Schreibtisch und in den Plattenläden. Was die können, können wir auch. Wir recyceln einfach die Besprechung von damals: Nach der fashion ruled jetzt die Art bei Chicks On Speed. Oder überall auf der Welt. „Art Rules“ (Chicks On Speed Records/Neuton/lndigo), vom neuen, demnächst erscheinenden Album, ist ein hübsch Sequencergetriebener Euro-Disco-Trash-Track Der „Rock Mix“ (von A Scholar and Physician mit Douglas Cordon) rockt mit upfront Gitarren. Und bei „Christopher just’s Hard One“ handelt es sich um ein hardrockendes Techno-Brett. Dos Ganze kommt im postfeministischen Artwork: Frau in sehr engen Shorts greift sich in die Arschritze. Freilich sehen Chicks On Speed „den Kunstbetrieb“ genau so differenziert wie „die Modewelt“. Was uns aber schon ein bisschen freut: Nicht nur die Art kommt bald zurück, sondern auch der 90er-lahre-Euro-Disco-Trash.

Apropos erinnern. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die schottischen Poprocker Del Amitri aus den 80er-Jahren? Nein? Auch nicht weiter schlimm. Justin Currie war deren Sänger und Hauptsongwriter. Auf der „No, Surrender. EP“ (Ada/Ryko/RoughTra-I de) gibt’s einen Ich-protestiere-gegen-die-Zustände-in-Großbritannien-Song, der von der repetitiven, geschichtenerzählenden Gesangsmelodie herein bisschen an Bob Dylans „Hurricane“ erinnert, musikalisch-weil: Singer/Songwriter-Zeuch mit viel Streichern-ein bisschen an Richard Ashcroft.

Gnill ist das neue Projekt von Grafzahl-Mann Florian Gelling. Die EP „Ich werde mich mit dieser Makrele ins Ausland absetzen“ (Tumbleweed/BrokenSilence)- lustiger Titel, was?-ist ganz okayer Deutsch-Pop zwischen Indie und Elektro und mit-wie Kollege Winkler gerade ganz zu Recht anmerkt- Peter-Brugger- Stimme. Aber: Man muss kein High-End-Super-Audio-CD-Fanatiker sein, um diesen matschigen, flachen Aufnahmesound für ganz fürchterlich zu halten.

Die gehen ja ganz schön ab. Kaum ist die erste Single von Herrenmagazineine Band, die bei der legendären Musikexpresss-Klubnacht „Schweine am Samstag“ (Jeden. Ersten. Samstag. Im. Monat.) aufgetreten ist-ausverkauft, schiebt die „Allstarband“ um Rasmus Engler (Das Bierbeben) die „#2″ (Motor Music) nach. Natürlich 7“ Vinyl only, limitiert und handnummeriert auf 25O Stück. Punkiger Indiepop,gefühlt mindestens 20 Prozent geiler als der von der ersten Single. Die B-Seite „Früher war ich meistens traurig“ ist ein bisschen hitträchtiger als „Atzelgift“ auf der A-Seite.

Und schon wieder eine Band, die bei der legendären Musikexpress-Klubnacht ‚ „Schweine am Samstag“ aufgetreten ist: Mexican Elvis aus München -eventuelle Vorwürfe des Lokalpatriotismus werden prophylaktisch zurückgewiesen: Es gibt auch sehr viele schlechte Bands aus München. Die EP „There Could Be Fireworks Or Something“ (Resonanz Schallplatten/Cargo) hat Mario Thaler in Weilheim aufgenommen, das Artwork stammt von Stefanie Schrank von Locas In Love (wieder eine Band, die bei der legendären …etc. pp.). Sonst hat sich nichts geändert: wunderbarer und folkig-niedlicher Indiepop mit richtigen Songs. Bitte „I Couldn’t Have Left It Any Much Later“ anhören und feststellen, dass es kaum etwas Ergreifenderes gibt im Bereich „slightly distorted singer/songwriter folkpop“. Wie Bonny Billy & Dawn McCarthy. Echt.

Wir wissen nicht genau, ob es den „Bereich“ „slightly distorted singer/songwriter folkpop“ überhaupt gibt. Ferner ist nicht bekannt, ob sich der Titel „Pyrolator“ (Paso Music/lntergroove) auf den großen Pyrolator(of-Der-Plan-farne) bezieht, wir nehmen es aber ziemlich stark an. Das ist die neueste 12-lnch von Sebrok, Gründer von Paso Music und Resident DJ im Tresor (Berlin) und im „Suite 15“ (Regensburg). Drei Tracks lang semiabstrakter, aber durchaus tanzbarer Frickel-Techno-Funk mit einem Minimal-Groove, bei dem man einfach mitmuss.

Lustig. Stereo Total gelten ja als das lustigste deutsch-französische Popduo der Welt. Weil das so ist, haben Francoise Cactus und Brezel Göring ihr Lied „Plastico“ (Elefant Records/RoughTrade) für diese schöne Single (transparentes, rotes Vinyl) in Spanisch „eingesungen“. Klingt wie Plastic-Bertrand-Punk-Pop-Trash. Bei den drei anderen Liedern handelt es sich um Coverversionen aus dem Repertoire von Elefant Records, von denen „Arte“ (im Original von Nostrash), hier als ein kleiner LoFi-Dub, der Sieger vor „C’estfini“ (von La Casa Azul) und „Un Rayo de sol“ (von Le Mans) bleibt. Was? Sie kennen Nostrash, La Casa Azul und Le Mans nicht? Schämen Sie sich!