The Singles


Die schöne Frage, die die neue EP der Arctic Monkeys stellt, „Who The Fuck Are Arctic Monkeys“ (Domino/Rough Trade), müßte von Rechts wegen „What the fuck are Arctic Monkeys?“ lauten, weil wir doch mittlerweile wissen, wer die Arctic Monkeys sind, aber immer noch nicht, WAS. Was hingegen drauf ist, auf dieser EP, wissen wir: Zum einen „The View From The Afternoon“, das schon das Album eröffnet. Und vier „neue“ Songs, von denen mancher den Monkeys-affinen MP3-Hitjägern bekannt sein dürfte: „Cigarette Smoker Fiona“ hört sich an wie „Fake Tales Of San Francisco Part II“. „Despair In The Departure Lounge“ und „No Buses“ liefern die Erkenntnis, daß sich in den Arctic Monkeys eine Urban-Blues’n’Country-Folk-Band versteckt. Und „Who The Fuck Are Arctic Monkeys“ ist so ein Lala Arctic-Monkeys-Track, also mehr Kultivierung eines Sounddesigns als Song. Noch eine Frage: Erinnert sich noch jemand an Sonic Death Monkeys?

Das Wörtchen „doch!“ mit Ausrufezeichen ist nicht nur der perfekte Ausdruck verbaler Notwehr gegenüber erzieherisch/kulturell/undwasweißichnoch Andersdenkenden, sondern auch ein im Ausland bei den der deutschen Sprache Ohnmächtigen weithin vor allem phonetisch geschätztes, weil es richtig betont – das Vorurteil vom militärisch-strengen Deutschen nährt. Die Berliner Band d.o.c.h.! dem ersten Signing auf „Fettes Brot Schaltplatten GmbH“, das nicht Fettes Brot heißt, weiß das sicherlich auch und hat sich deshalb genau so genannt. Die Single „Was in der Zeitung steht“ (Fettes Brot Schallplatten GmbH/Indigo) ist ein nicht einmal zwei Minuten langer Punk-Popper-Hit mit Ideal-Orgeleien und – Achtung! – „Ohrwurmqualitäten“.

Mit einer heimlichen EP haben wir es bei der (Doppel-A-Seiten)-Single von Franz Ferdinand zu tun, weil sich auf „The Fallen/L. Wells“ (Domino/Rough Trade) nicht nur fünf Tracks finden, sondern auch vier davon bislang nicht zu haben waren. „L. Wells“ ist ein Humpta-Humpta-Franz-Schützenfest-Schunkler. Beim Beatles-treffen-Stranglers-circa-„Golden-Brown“-mäßigen „Jeremy Fraser“ darf Nick McCarthy singen. Das Instrumental „Brown Onions“ ist zumindest vom Titel her eine Verbeugung vor Booker T. And The MGs, musikalisch aber sinnfreies Jejamme. Was die Franzosen Justice aus „The Fallen“ im „Justice Edit“ machen, versöhnt dann wieder ein bißchen: einen rechten BigBeat-HipHop-Electro-Wahnsinn nämlich. Das alles gibt’s dann auf zwei Seven-Inches und auf einer CD.

Wales ist ja nicht unbedingt die allererste Adresse für zwingende Antworten auf Fragen zur zeitgenössischen Popmusik. Rispel-raspel-rispel-raspel-rispel-raspel – ich höre schon die Leserbriefschreiber ihre Bleistifte spitzen – ICH WEISS: Super Furry Animals, Young Marble Giants. TROTZDEM. The Hot Puppies kommen aus Wales und machen auf ihrer fünften (oder so) Single „The Girl Who Was Too Beautiful“ (Fierce Panda/Cargol so neo-wavigen Pop, der prinzipiell ganz okay geht, auch wenn die Amerikanismen in der Stimme von Becky Newman manchmal nervtötende Züge annehmen.

Unbedingt nicht verwechseln mit The Hot Puppies: HushPuppies. Die kommen aus Frankreich, und ihre erste in Deutschland erscheinende EP „You’re Gonna Say Yeah“ (Faith Records/Rough Trade) soll an unser Kaiser-Chiefs-Arctic-Monkeys-MaxTmo-Park-Gewissen appellieren. Jetzt wissen wir noch nicht, wie die fünf Mitglieder der HushPuppies aussehen, aber wenn sie auch diesen Verlorene-Seelen-Indie-Schick draufhaben, dann könnte das mit dieser Second-hand-Ausgabe einer Second-hand-Band durchaus klappen.

Uiuiui. Wenn das (Mitte Juni) kommende Kelis-Album Kelis was here das hält, was die Single „Bossy“ (Virgin/EMI) verspricht, dann dürfen Sie sich auf was gefaßt machen. „Bossy“ ist zwar kein „Milkshake“, aber wie hier mit einfachsten Mitteln und mit Hilfe von Too Short und einer (gefühlten) Pharrell-Hookline-Idee (einem bis zum Erbrechen repetierten metallischen Pling-Plong) ein Hit zusammengezimmert wird, das hat schon Klasse. Wir warten auf die Remixe.

Vielleicht liegt es an den Molekülen, an den Positronen oder ganz einfach an der Chemie, daß sich diese Pling-Plong-Hookline von einer Single weiter oben auch im „Tanz der Moleküle“ (R.O.T/Sony BMG) von MIA. fortsetzt. Das erste neue Tonkonserven-Lebenszeichen der Berliner Band seit Jahren und vor dem Ende Juli erscheinenden dritten Album, das misanthropisch orientierte Zeitgenossen sicherlich wieder zum Anlaß nehmen werden, ihren ganzen Selbsthaß auf Mieze und ihre Jungs zu projizieren. Auf jeden Fall schmeckt dieses Lied nach einem längst stattgefunden haben müssenden Frühlingsanfang, nach grünen Wiesen und nach Draußenseinwollen. Wir schätzen mal: Mieze ist frisch verliebt.

Jetzt haben wir den Salat. Und zwar den, den die demnächstige Popmusik-Geschichtsschreibung als den „New Sound Of Sheffield“ bezeichnen wird. Milburn. – mit Punkt wie MIA. – sind nicht nur vier Buben aus der Arctic-Monkeys-Hauptstadt, sondern auch mit denen kumpelhaft verbandelt und bis letzte Woche mit ihnen auf Deutschlandtour unterwegs gewesen. Zu erwähnen, daß „Send In The Boys“ (Mercury/Universal) klingt wie die Arctic Monkeys, ist nur noch eine Formsache.

Apropos Formsache. Wechsel zum Anderen/Besseren in der Popmusik kündigen sich meist dadurch an, daß neue Bands, die mittelneue gute Bands von gestern nachmachen, die wir eigentlich nicht mehr hören wollen, die Form über den Inhalt stellen. So wie das The Unisex aus Schweden auf „White Days“ (In-D Records/Soulfood) tun. Bei denen ist cooles Indie-Rumgesteheauf dem Coverfoto wichtiger als ein anständiger Song.